Shake, rattle and roll – and fume

Selbst  ohne Wecker würde man hier rechtzeitig  wach werden. Die Zimmer in dem angejahrten Motel sind zwar neu und modern eingerichtet worden, aber die Wände scheinen nur aus Rigips zu bestehen. Aber gut, so besteht wenigstens keine Gefahr dass ich verschlafe.

Das Frühstück, das gestern abend schon gebracht wurde, ist auch gar nicht schlecht, der Toast hat sogar Ähnlichkeit mit dem was ein Deutscher Brot nennen würde, leicht und fluffig und sogar mit Körnern drin, schmeckt sehr gut. Aber warum lernt man in der Schule mühsam den Unterschied zwischen Jam und Marmalade, wenn beim Herrichten des Tabletts dann doch nur blind in die Kiste mit den diversen Spreads gegriffen wird? Zweimal Orangenmarmelade. Leider kann ich die noch nichtmal umtauschen gehen, weil die Rezeption erst eine Vierteltstunde bevor die Tour losgeht öffnet. Ich streiche mir also todesmutig Orangenmarmelade aufs Brot – och ja, so schlecht isses dann auch nicht. But it takes some getting used to.

Um viertel nach 7 sammeln sich etwa 20 Leute an der Rezeption, die alle auf die 20-Tunnel-Tour gehen wollen. Unser Guide und Fahrer des diesmal etwas größeren Kleinbusses ist Rob, ein Maori mit grauem Zopf und coolem Kopftuch. Er fährt uns zusammen mit Michelle von der Rezeption etwa 10 Kilometer aus dem Ort raus zum Start der Tour auf den Railway Tracks.

Das Wetter will leider nicht so recht, es ist zwar trocken aber sehr bedeckt und eher kühl.

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An der Startstation stehen eine Reihe von alten Golfwägelchen auf den Schienen, Viersitzer und Zweisitzer.

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Wir bekommen basic instructions zur Bedienung, und es stellt sich heraus, dass jedes Wägelchen mit einem Verbrennungsmotor ausgerüstet wurde („Oh, they run on petrol?“ fragt verwundert eine Teilnehmerin, die vermutlich genau  wie ich gedacht hatte, dass die Wägelchen mit Akkus betrieben werden) der auf maximal 25kmh runtergeschraubt wurde, gestartet wird mit einem Tritt aufs Gaspedal. An diesem eher kühlen Morgen tun sich die Motoren noch ein bisschen schwer, manche müssen mit dem Choke nachhelfen damit die Sache ans Laufen kommt. Jedes Wägelchen verfügt über eine Fleecedecke, und Rob verteilt Ohrstöpsel an alle. Ohrstöpsel? Sicherlich wegen der Zugluft, oder? Wie fürsorglich.
Von wegen. Nachdem wir alle unsere Wägelchen wachgetreten haben und langsam zweitaktig knatternd anfahren stellt sich relativ schnell heraus, dass die Ohrstöpsel nicht wegen des Fahrtwindes ausgeteilt wurden – sondern wegen des Geräuschpegels. Die Räder machen auf den Gleisen einen derartigen Lärm dass man sogar die Motoren nicht hört, und die Schafe und Kühe auf ihren Weiden fliehen blökend vor der anrückenden Wagenkolonne. Lauschiger Tagesausflug? Fehlanzeige.
An den immer gleichförmigen Lärm gewöhnt man sich relativ schnell, was mich aber stört weil ich das überhaupt nicht einkalkuliert hatte ist, dass man eigentlich ständig von Abgasen umweht wird und immer wieder den Benzingeruch in der Nase hat.
Und auch die Fleecedecken sind, zumindest für eine Frostbeule wie mich, bitter nötig. Es ist ja ohnehin schon nicht besonders warm draußen, und der Fahrtwind sorgt dann dafür dass es in den nach beiden Seiten offenen Golfcarts doch ziemlich kalt wird. Ich wickle meine untere Hälfte ein, so kann man es dann auch aushalten.

Und so geht es nun also in Kolonne zunächst an Wiesen und Weiden vorbei und gleich in den ersten Tunnel, der mit einer Länge von 1,5 Kilometern auch gleich der längste der ganzen Tour ist. Ist das KALT!!!
Wir machen immer mal wieder kleine Zwischenstopps, und Rob berichtet von der Zeit der Eisenbahnpioniere hier im King Country und über die technischen Herausforderungen, die sie zur Zeit der vorletzten Jahrhundertwende zu meistern hatten, und wie sich der Aufstieg und spätere Zusammenbruch des Kohleabbaus und damit zusammenhängend der Eisenbahn auf die Gegend und die Leute hier ausgewirkt hat. Interessant ist die Geschichte vom Gefängnis in dem kleinen Ort Ohura, wo ein Single Men’s Camp aus der Zeit des Eisenbahnbaus später umfunktioniert wurde zu einem Gefängnis für White Collar-Straftäter (Betrug, Unterschlagung etc.). Der Zaun drumrum ist gerade mal  brusthoch, worüber sich eine Teilnehmerin wundert, ist das nicht ein bissschen niedrig für ein Gefängnis? Nein, sagt Rob, es hat in all den Jahren in denen das Gefängnis in Betrieb war nur einen einzigen Ausbrecher gegeben. Der hat es ein paar Kilometer bis zur Straße geschafft und hat dann gehofft dass jemand vorbeikommt und ihn mitnimmt … der einzige Wagen der vorbeikam war das Polizeiauto, und die haben ihn dann wirklich mitgenommen. Und zurückgebracht. Ohura ist so abgelegen dass es einfach keine Chance gab dort wegzukommen. Die Türen im Gefängnis haben angeblich immer offen gestanden, und außer dem einen Optimisten hat wohl niemand ernsthaft versucht zu fliehen.

Nach zwei Stunden halten wir in einem kleinen Zwanzig-Seelen-Dorf mit einer heruntergekommenen, eiskalten Stadthalle, wo es heißen Kaffee und Tee gibt, von allen dankbar angenommen. Danach geht es weiter an bergigen Weiden vorbei, sehr schön und grün aber doch ein bisschen eintönig. Zwischendurch sieht man immer mal wieder ein paar verrostende Oldtimer neben den Schienen stehen, die hier langsam verrottend immerhin ein bisschen shabby charm verbreiten.

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Mittagessen gibt es in Tokirima, wo wir uns mit den von Michelle in der Zwischenzeit hergeschafften Zutaten Sandwiches zusammenstellen können: Brot, Tomaten, Salatblätter und kaltes Fleisch. Nicht wirklich mein Ding, aber ich probiere eine Scheibe von dem leckeren Brot mit ein bisschen Piccalilli, schmeckt sogar ganz gut. (Die Gurken, die da kleingeschippelt drin sind, ignorier ich jetzt einfach mal. Ich mag keine Gurken.)

Die Strecke zwischen Mittagessen und Endstation ist die landschaftlich schönste, mitten durch Schluchten und Täler mit dicht bewachsenen Abhängen.

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Wir landen gegen halb vier in Whangamomona (sprich Fángamómona). Rob und Michelle müssen hier zunächst alle Carts umdrehen (dafür gibt es einen selbstgemachten Turntable), und wir sollen uns doch einfach solange eine halbe Stunde in den Pub setzen. Vorbei an einem Schild, auf dem die (selbsternannte) Republik Whangamomona ihre Gäste begrüßt, gehts in ein wiedermal total gottverlassenes Örtchen, in dem es eine Handvoll Wohnhäuser, eine klitzekleine Kirche, ein paar Ruinen und ein Hotel mit Pub gibt. Wer will kann hier ein Ale inhalieren oder einen Flat White.

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Auf der Rückfahrt sehen wir einen Van im Straßengraben liegen, der aus eigener Kraft nicht wieder rauskommt. Rob hält an und packt ein Seil aus, und zusammen mit einem ebenfalls vorbeikommenden Allradjeep und einem unserer Tourteilnehmer am Steuer des Vans schaffen sie es auch, den Wagen wieder auf die Straße zu ziehen. Die Jungs werden mit Beifall wieder im Bus begrüßt, und dann gehts wirklich zurück ins Hotel.

Ich brauche zwanzig Minuten unter einer heißen Dusche, um wieder warm zu werden. Ich schiebe den Rest von den leckeren Schweinenudeln in die Mikrowelle, die offenbar inzwischen überall zur standardmäßigen Zimmereinrichtung gehört, und dann ab unter die Bettdecke um die angeduschte Wärme nicht wieder zu verlieren. Nach einer Folge von Inspector Barnaby (einer der 10 TV-Kanäle ist BBC UK) lasse ich mich mit Vanity Fair in den Schlaf lesen.

In der Pampa

Heute gibt’s eigentlich gar nichts zu berichten. Das frühmorgendliche Pickup-Taxi hat mich pünktlich zum InterCity-Bus gebracht, der auch schon bereit stand, so dass ich wieder mal einen vorderen Platz bekommen habe. Strahlend blauer Himmel, allerdings war es mit 7 Grad bitterkalt, und der Bus war dank der offenen Tür genauso kalt. Sobald er unterwegs war wurde es dann zu Glück wärmer. 1,5  Stunden Fahrt bis Hamilton, dort zwei Stunden Aufenthalt. Wie wär’s mit einem schönen heißen Tee in dem Café in der Wartehalle? Radio Eriwan lässt mal wieder grüßen: Also eigentlich schon, ja, nur heute nicht, die Maschine ist kaputt. Immerhin kann man in der Halle sitzen und schonmal die nächsten Tage planen, nächste Woche bin ich in Taupo und da hab ich bis jetzt noch gar nichts geplant oder gebucht. Ich nutze die Zeit um im Internet etwas Schönes auszugraben, mal sehen ob ich das verwirklichen kann, falls ja könnte das nächste Woche Stoff für einen ausschweifenden Blogeintrag bieten.

Danach stelle ich mich draußen am Bussteig in die Sonne und werde prompt von einer netten älteren Neuseeländerin angesprochen die auf ihre Enkelin wartet, die auch mit dem InterCity kommt, und wir unterhalten uns angeregt über Fernreisen. Sie war schon mehrmals in Europa, und wir unterhalten uns über die Terrorproblematik, wobei ich merke dass das für mich alles sehr weit weg ist, seit ich hier bin hab ich keinen Blick auf eine deutsche News-Seite geworfen, aber schließlich hab ich auch Urlaub.

Der Anschluss-Bus ist kein Problem, ich nicke mehrmals ein und werde kurz vor Taumarunui erst wieder richtig wach. Taumarunui ist eine Kleinststadt mitten in der Pampa. Es gibt einen Fluss, ein I-Site, ein paar Geschäfte, eine Hand voll Cafés und Motels, und das war es auch schon.

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Die nette Neuseeländerin war denn auch ganz fassungslos als ich ihr erzählt habe dass ich hierhin fahre. „But why should you go there?“ Der Hauptanziehungspunkt des Ortes ist der Forgotten World Railway, den ich morgen befahren werde. Ein umtriebiger Einwohner hat vor ein paar Jahren den ungenutzten Schienenstrang geleast, Golfwägelchen aus Amerika importiert und für die Schienen umgerüstet, und damit kann man kilometerweit durch die schöne neuseeländische Landschaft fahren, denn davon gibts hier massig.

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Natürlich gibts die hier überall, und wenn der Railway nicht wäre würde kaum ein Mensch Taumarunui kennen, aber der FWR hat in den letzten Jahren wohl für einen touristischen Aufschwung hier gesorgt.

Das Timing des Busses ist ein bisschen suboptimal, ich bin um 14 Uhr hier angekommen, und es gibt schlicht und einfach sonst nichts was man hier tun könnte. Ich laufe ein bisschen am Fluss entlang, will aber als Einzelmensch nicht zu weit weg von der Zivilisation. Es gibt ein Kino (!), aber da hab ich keine Lust drauf. Ich setze mich neben der Hauptstraße in einen winzigen Park (3 Bänke und 1 Denkmal) und fange an ein paar Tripadvisor-Beurteilungen zu schreiben – ich bin zwar erst ein paar Tage da, aber da hat sich schon einiges angesammelt. Gegen vier meldet der Magen Aufnahmebereitschaft, also auf zu Jasmins Thai Café, wo ich eine Portion Schweinenudeln mitnehme, und die sind sogar ziemlich gut.

Jetzt ist es halb acht und eine freundliche Motelmitarbeiterin hat von draußen ins Zimmer gespäht, gesehen dass ich da bin und sich wortreich fürs „peeping“ entschuldigt, sie wollte nur anfragen ob sie mir jetzt schonmal das Frühstück für morgen bringen darf – war schon so abgesprochen, weil bei meinem üblichen kontinentalen Frühstück nix dabei ist was schlecht werden kann, den Tee mach ich morgen eh‘ im Zimmer und für den Toast gibt es einen Toaster in der Küchenzeile. Und weil die Tour morgen so früh los geht haben die Mädels da oben einfach keine Zeit, uns alle die wir hier wohnen und mitfahren morgen früh pünktlich abzufüttern.

Ich werde also ausnahmsweise mal einen Fernsehabend verbringen – seit ich hier bin hab ich fast nur in Handheld-Device-Displays geguckt und höchstens zweimal in einen Fernseher. Wenn alles klappt wird es für morgen wieder mehr zu berichten geben. Allerdings werden wir erst am frühen Abend zurück sein, und da der Bus am nächsten Tag erst gegen 14 Uhr abfährt werde ich die Wartezeit unter anderem mit Blogschreiben verbringen, was bedeutet dass der nächste Blog mindestens 12 Stunden später kommen wird als bisher.

See ya!

Schöner Schwefel

Wieder ist früh aufstehen angesagt. Das Hotel bietet die Möglichkeit, Wunschfrühstück ins Zimmer zu liefern, und das will ich mal ausprobieren. Das Ergebnis ist das erste vernünftige Frühstück seit ich aus dem Flieger gestiegen bin. Der Tee, der auf dem Zimmer zur Verfügung steht, ist richtiger Tee, dazu habe ich Toast, Marmelade und frisch gepressten Orangensaft bestellt, alles sehr lecker.

Ich werde wie verabredet aufgelesen und mit einer Handvoll anderer Leute mit (man ahnt es bereits) einem Kleinbus zum Waimangu Volcanic Valley gebracht. Die Fahrt geht durch friedliche Weidelandschaften, und man könnte fast nicht glauben, dass es in der Nähe vulkanische Aktivität gibt, wenn da nicht die Risse auf den Wiesen und Weiden wären, und der Fahrer erwähnt, dass hier eine Fault Line verläuft, eine Erdfalte.

Waimangu ist nur eine von mehreren geothermal sights, die Rotorua und Umgebung zu bieten haben. Die bekannteste ist vermutlich Wai-o-Tapu, dort gibt es auch einen großen Geysir und bunte Ablagerungen. Das hat Waimangu zwar nicht in diesem Maß zu bieten, aber dafür ist es auch nicht so reißerisch-touristisch aufgemacht. Und deshalb hat Waimangu etwas zu bieten womit Wai-o-Tapu vermutlich nicht aufwarten kann: Idylle, Ruhe und Vogelzwitschern. Wir kommen um 9 Uhr an und sind fast alleine dort. Jeder kann in seinem eigenen Tempo den Kiespfad hinunter wandern, gut 3,5 Kilometer durch Wald und Farn. An der Kasse bekommt man einen ausführlichen Folder mit Karte, den es in verschiedenen Sprachen gibt, und damit macht man eine „self-guided tour“. Man sieht am Anfang erstmal den Emerald Lake, der eigentlich noch nach nix aussieht außer nach schöner Landschaft, aber dann wird’s immer deutlicher geothermisch. Dampfende Kraterseen, Silikatterrassen, brodelnde und spuckende Wasserlöcher … überhaupt dampft und qualmt es an allen Ecken und Enden, und die ganze Gegend riecht nach Schwefel. Es ist wirklich faszinierend, und das alles ist eingebettet in die wunderschöne Landschaft rundum – man schaut quasi der Welt beim Entstehen zu und blickt auf eine Zeit weit vor dem Auftauchen des Menschen auf der Bildfläche.

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Bald kommt die Sonne heraus, und die Senke heizt sich ziemlich auf. Weiter unten im Tal wird es flacher, und schließlich stößt man auf einen See, den Lake Rotomahana. Dort wird eine Bootstour angeboten, was in touristischer ausgerichteten Stätten vermutlich hieße dass da mindestens ein Kiosk steht, ein Eisverkäufer und ein „Your-picture-taken“-Stand. Das Schöne an an Waimangu ist, dass das alles komplett fehlt. Man kommt am See an und alles was man da findet sind ein paar Sitzbänke und ein kleiner Holzanleger für das Boot. Totale Stille. Na gut, nicht total … je näher man dem See kommt desto lauter wurde ein Geräusch dass ich zunächst (Bay of Islands lässt grüßen) für Jetski-Lärm hielt. Es handelt sich schlicht und ergreifend um Froschquaken, aber die Lautstärke! Du meine Güte, was müssen das für Frösche sein! Sind bestimmt Bullfrogs.

Dachte ich. Es war schierer Zufall, dass ich auf dem Kiesweg am See etwas bemerkte das ich erst für ein Blatt hielt, aber siehe da:

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Der selbsternannte Trompetenfrosch ist noch nichtmal so groß wie meine Hand, dafür aber mindestens so schwer von Begriff wie mein Kater. Es bedurfte der tatkräftigen Nachhilfe von zwei Menschen, den Frosch von der potenziell selbstmörderischen Lage zu überzeugen in der er sich da befand. Tarnfarbe auf Menschenweg ist keine gute Idee, auch wenn noch nicht so viel Menschen da sind. Eingesehen hat er das nicht, aber er ist schließlich der rohen Gewalt in Form eines Astes gewichen und mit einem einzigen ziemlich großen Satz im Röhricht verschwunden, wo er hingehört.

Einmal pro Stunde kommt  ein angestaubter Bus und fährt diejenigen, die den Weg nicht zufuß wieder hochgehen wollen, über einen von den Wanderwegen getrennten Schotterweg wieder zurück zum Eingang, wo man durch einen kleinen Shop geleitet wird und schließlich in einem kleinen Café etwas essen kann. Ganz ohne diese kommerziellen Ergänzungen kommt auch Waimangu nicht aus, aber beides ist eher unauffällig und dezent gestaltet.

Als wir oben ankommen ist schon deutlich mehr los als heute früh, der kleine Parkplatz ist voll. Und trotzdem sieht man hier keine Menschenmassen den Berg runterströmen, es verläuft sich ziemlich.

Wir sind gegen 14 Uhr zurück in Rotorua, bei strahlendem Sonnenschein. Es gäbe so schrecklich viel, was man jetzt machen könnte, von Jetboat über Kajak bis zu so abgefahrenen Aktivitäten wie Zorbing (in großen durchsichtigen Bällen einen Hang hinunter kugeln), aber ich entscheide mich zunächst für den Kuirau Park, einen öffentlichen Park der relativ nahe am I-Site liegt und in dem man völlig kostenlos heiße Quellen und qualmende Teiche anschauen kann. Außerdem gibt es zwei geothermale Footpools, man sitzt am Rand und lässt die Beine ins warme Wasser baumeln, herrlich.

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Mit so erholten Füßen wandere ich zurück ins Zentrum und zu den Government Gardens. Ein englischer Reiseführer benutzt den Begriff des „manicured garden“, und das ist sicher richtig, aber wenigstens ist er schön manikürt. Hat alles noch etwas von Pracht und Herrlichkeit der Kolonialzeit.

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Und jetzt vielleicht mal bei der Skyline vorbeischauen? Eine Gondelbahn von Rotorua hinauf auf den Berg, und wenn man da oben schon eine Bergstation hinbaut, warum dann nicht gleich eine Sky-Swing daneben bauen und einen Mountainbike-Parcours, drei Go-Kart-Bahnen und eine Zipline von oben ins Tal rasen lassen? Ich will heute aber mal keinen Thrill sondern einfach nur die Aussicht anschauen, außerdem hoffe ich dass ich einen Platz im Restaurant in der Bergstation bekomme, das als bestes Restaurant Rotoruas gilt und neben einer tollen Aussicht auch ein tolles Buffet bieten soll. Leider klappt das nicht, vollkommen ausgebucht. Macht nix, die Aussicht ist super.

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Jetzt reichts aber auch für heute. Vom I-Site zur Skyline hab ich mir ein Taxi gegönnt, aber zurück probiere ich mal den Bus aus. Der nette Hotelbesitzer sagte, als ich nach dem Bus gefragt habe: Ja, stimmt, die Busse sieht er öfter mal. Genutzt hat er sie aber noch nie. Die Leute hier sind keine großen Busfahrer, sagt er. Wenn man in die vorbeifahrenden Busse mal reinschaut kann man das nur bestätigen, meistens sitzen nur 3 oder 4 Figuren drin. Aber irgendwie hat den Leuten hier auch keiner erklärt wie sowas funktioniert. Es gibt an den Haltestellen keine Fahrpläne auf denen steht wann hier welcher Bus ab- und wohin fährt. Es gibt stadtweit an allen Haltestellen immer den gleichen Aushang, auf dem steht an welchen 6 wichtigen Haltestellen im Stadtgebiet ein Bus dieser Linie wann hält bzw. halten müsste. Und daraus muss man sich entweder selbst zusammenreimen was das nun für die eigene Haltestelle heißt, oder man sendet eine SMS mit dem Zahlencode der Haltestelle an der man gerade steht  und erhält im Gegenzug genau eine Auskunft, nämlich wann der nächste Bus an dieser Haltestelle planmäßig abfahren müsste. Keiin Wunder dass kaum jemand Bus fährt.

Heute Abend gibts nochmal Pizza, und dann muss ich auch schon wieder alles zusammenpacken weil morgen die nächste Etappe der Tour de Neuseeland ansteht. Hoffentlich kommt das Taxi pünktlich …

Zippin‘ in the Rain

Ich ziehe um kurz nach 6 den Vorhang zurück, und die Welt ist grau. Der Höhenzug ist nur zur Hälfte zu sehen, der Rest verschwindet in träge ziehenden Nebelschwaden.

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Aber immerhin: der Regen hat aufgehört. So richtig Lust auf Frühstück hab ich nicht, also muss der Rest von dem Superkeks von gestern reichen. Der InterCity-Bus fährt um kurz nach halb acht, man soll eine Viertelstunde früher da sein, mit meiner Ich-muss-vorher-dasein-Manie bin ich schon kurz nach 7 an der Haltestelle. Gegenüber ist das städtische Freibad, in dem die ersten Schwimmer schon ihre Runden drehen. Der Bus hat ein bisschen Verspätung, aber das ist kein Problem, wir haben im Thames über eine halbe Stunde Aufenthalt.

Außer mir steigen an diesem Morgen nur noch eine Handvoll Leute ein, ich setz mich wieder nach vorne und tu mir Musik auf die Ohren, während der Fahrer uns im bereits bekannten Kiwi-Halsbrecher-Stil durch die Kurven nach Thames befördert. Hier gibts in einem Café zumindest mal einen Tee.

Zurück in den Bus, der nun weiterfahren soll nach Morrinsville. Tut er aber erstmal nicht, er wartet auf einen Passagier der zwar angemeldet aber noch nicht eingetroffen ist. 10 Minuten wartet er, ohne dass der fehlende Fahrgast auftaucht, und als es endlich losgeht sagt der Fahrer in den Bus rein, dass er heute mal nicht über Morrinsville fährt weil ja nur der fehlende Fahrgast da hin wollte, und da könnte er ja gleich weiter nach Hamilton fahren … Ähm, ’scuse me! I have to change buses at Morrinsville, I’m going to Rotorua! „Oh, you’re going to Morrinsville? Okay then.“ Leider hätte ich in Morrinsville exakt 11 Minuten zum Umsteigen, das wird jetzt echt knapp. Ob die auf mich warten werden, möchte ich wissen. „Yeah yeah“ ist die Antwort. Das Wetter wird wieder schlechter, es beginnt zu regnen, selbst die Kiwis fahren jetzt langsamer. Oh dear.

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Aus den 10 Minuten Verspätung werden am Ende 15. Im strömenden Regen kommen wir in Morrinsville an und ich erreiche so grade noch den Anschlussbus, aber die Probleme gehen weiter: „What’s your name then?“ Für die Intercity-Busse muss man sich vorher anmelden, in meinem Fall hat das das Reisebüro für mich geregelt. Und nun: „You’re not on my list!“ Aber das ist doch der Bus nach Rotorua? Ich war für den Bus nach Rotorua gebucht! Zum Glück hat die Fahrerin bei dem Regen keine Lust auf weitere Recherchen, sie glaubt mir jetzt einfach mal dass ich a) angemeldet bin und b) schon bezahlt habe, mein Koffer wird also in den Frachtraum gewuchtet und ich darf mitfahren. Puh …

Neben mir sitzt eine ältere Spanierin deren Englisch noch unbeholfener ist als meines, wir machen ein bisschen Express-Sprachunterricht: Ich schreibe ihr auf, was Nieselregen heißt und wie man sagt dass es schüttet. Offenbar hat sie das in ihr Smartphone eingetippt und lernt jetzt die Aussprache, denn neben mir höre ich jetzt ein paar mal die Smartphone-Stimme „drizzle“ und „pouring“ sagen, und die Spanierin spricht es nach: „Drissöl“. Es regnet in einem fort. Wir halten in dem Städtchen Matamata, dort gehen die Touren zum Filmset von Hobbiton ab, wo Teile von Peter Jacksons „Lord of the Rings“ und „The Hobbit“ gedreht wurden. Gut dass ich das ausgelassen habe, das kann bei dem Wetter ja auch kein Vergnügen sein. Das I-Site, wie die Touristeninformation in NZ heißt, hat in Matamata übrigens Hobbiton-Architektur, inklusive runder grüner Holztür.

Und irgendwo im Nirgendwo zwischen Matamata und Rotorua geht dann auf einmal gar nichts mehr. Vor uns ein offenbar schon ellenlanger Stau, der sich keinen Meter vorwärts bewegt. Im Nu stehen wir mitten in einer unabsehbar langen Schlange. Lange tut sich nichts, dann sieht man dass die ersten Fahrzeuge vor uns einfach wenden und zurück fahren. Die spanische Damen neben mir schaut nervös auf die Uhr: Wir sollten theoretisch um 12.15 Uhr in Rotorua einlaufen und sie muss um 1 Uhr den Anschlussbus nach Taupo nehmen, zu dem es heute keine Alternative mehr gibt. Wir stehen immer noch. Die Fahrerin winkt eines der umkehrenden Autos heran und fragt was da vorne los ist. Antwort: In dem Wäldchen das vor uns liegt sind zwei Bäume auf die Straße gekippt und blockieren die komplette Fahrbahn. Die Feuerwehr weiß Bescheid, aber es kann noch dauern bis die kommt. Die Fahrerin flucht, weil der Bus zu groß ist um ihn auf der Landstraße wenden zu können

Die Spanierin neben mir kriegt jetzt ein echtes Problem. Wenn sie den Bus nach Taupo verpasst kommt sie heute nicht mehr weg. Sie fragt die Fahrerin ob der Anschlussbus warten kann, und die Fahrerin gibt ihr die Nummer vom InterCity-Büro, sie soll das mit denen ausmachen. Sie erreicht dort auch jemanden, kann sich aber nicht verständlich machen und bittet mich schließlich, ob ich das für sie übernehmen kann. Also versuche ich dem Menschen am anderen Ende klar zu machen was das Problem ist, er lässt sich die Buchungsnummer der Dame geben und verspricht er werde sich bemühen, aber ewig warten kann der Anschlussbus eben auch nicht, aber er wird sehen was sich machen lässt. Die arme Spanierin ist ziemlich unglücklich, aber wir können im Moment erstmal nichts tun.

Endlich kommen von hinten Sirenen angeheult, ein winzig kleines Feuerwehrauto saust vorbei, aber das kleine Gefährt scheint eine große Säge im Gepäck gehabt zu haben, denn die Feuerwehr kann in relativ kurzer Zeit die Bäume zumindest so weit zerlegen und zur Seite schaffen dass eine Fahrspur frei wird, und da man gesehen hat dass ein InterCity-Bus in der Schlange ist darf unsere Fahrspur als erstes durchrauschen, und wir schaffen für die Spanierin eine Punktlandung in Rotorua: Sie erwischt ihren Bus noch.

Leider habe ich jetzt ein Problem: Eigentlich war verabredet dass mich ein Pickup-Taxi zum Hotel bringt, aber durch die Verspätung von einer Dreiviertelstunde hat der Fahrer wohl schon das Handtuch geworfen, jedenfalls ist kein Pickup-Taxi da. Ich hab jetzt aber auch keine Lust auf Recherchen und nehme einfach ein anderes, das muss ich nun zwar bezahlen weil der Voucher nix nützt, aber das ist jetzt auch egal, Hauptsache raus aus dem Regen und rein ins Hotel.

Das Hotel liegt an einer Durchgangsstraße, auf der geht es jedoch eher gemütlich zu, und das Hotel ist ganz nett, und das Zimmer ist wirklich sehr gut gepflegt, hell und freundlich, und hat einen luxuriösen Whirlpool im Zimmer.

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Jetzt muss schnell was zu essen her, weil ich um halb vier wiedermal gepickupt werde. An der Durchgangsstraße liegen etliche Geschäfte, allerdings ist alles etwas weiter auseinandergezogen, und ich muss circa 10 Minuten gehen bis ich auf etwas Essbares stoße, und das ist dann die Börgerkette mit dem gelben M. Macht nix, kann man auch satt von werden. Also schnell ein paar Stücke geformtes Huhn an Pommes auf Süß-Sauerer Soße und wieder zurück ins Hotel. Denn heute Nachmittag wirds abenteuerlich: Ich habe mich für eine Canopy-Tour angemeldet, eine Hochseil- und Hängebrücken-Tour durch den Wald.

Diesmal klappt es mit dem Pickup. Zusammen mit zwei anderen Deutschen werde ich „back to base“ geshuttelt wo wir zu einer Gruppe von circa 10 Leuten zusammengestellt werden. „You guys need anything? Got a raincoat?“ Jeder erhält eine Regenjacke, einen Klettergurt und einen Helm sowie ein Tablet, auf dem man zum Beispiel angeben muss wie man heißt, ob man ein Herzproblem oder sonstige Krankheiten hat, wer die nächsten Angehörigen sind (oh … schluck) und dann muss man unterschreiben dass man zur Kenntnis nimmt dass Tod und Verletzung nicht rechtlich auszuschließen sind … Ach du liebe Zeit. Aber die Leute da machen einen vertrauenswürdigen Eindruck, die Beurteilungen im Internet waren gut und gehen auch schon einige Jahre zurück, also nu los, Nägel mit Köpfen.

Wir werden, bereits fertig eingegurtet und behelmt, mit dem üblichen Kleinbus aus der Stadt raus und in ein Waldgebiet gefahren. Es nieselt, als wir dort aussteigen und nach wenigen Schritten im Urwald verschwinden. Unter dem Blätterdach kommt kaum Regen an, es tropft nur ein wenig von den Bäumen herunter. Wir stehen nach einigen hundert Metern gewundenen Waldpfades und nach dem Besteigen einiger kleiner Holztreppen plötzlich auf der ersten Plattform, die an einem Abhang steht und zum Glück ein Geländer hat, denn hinter dem Holztor auf der Plattform geht es geradewegs ins Nichts. Wir bekommen (jetzt schon deutlich angespannter) eine ausführliche Sicherheits- und Verhaltensanweisung, und dann sollen wir wahrhaftig nacheinander vor das Holztor treten, wo unsere Gurte mit dicken Karabinern an eine Zipline (ein Stahlseil) gehakt werden, und dann geht es drei Holzstufen von der freien Plattform hinab ins Nichts – so scheint es erstmal, aber genau genommen geht es am Stahlseil über vielleicht hundert Meter bewaldeten Abgrund bis zur nächsten Plattform. Jean macht es vor – aha, hmhm, komm ich noch irgendwie aus der Geschichte wieder raus? Nein, Bangemachen gilt nicht, andere Leute haben das auch überlebt, also los. Jean wird uns drüben in Empfang nehmen.

Wer will anfangen? Nein danke, das darf gerne einer von den Jungs machen die bei der allgemeinen Vorstellung als Hobbys Skydiving und Bungeejumping angegeben haben. So richtig zuversichtlich sehen die auch nicht aus, aber sie lassen sich nicht lumpen und zischen jodelnd die erste Zipline entlang. Und irgendwann stehe ich auch vor dem Tor, werde mit Karabinern festgemacht und dann: „Elke’s zipped in!“ sagt Bailey ins Mikro, und ich höre Jean aus dem Lautsprecher rauschen: „Great, send her on!“ Also todesmutig die drei Stufen hinabsteigen, die von der Plattform ins Nichts führen, oh, so hoch über dem Wald … uuuuund wuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii …. Plonk. Plattform 2 erreicht. „Well done! How was it?“ Och, eigentlich ganz nett. Man muss sich nur mal überwinden, aber wenn man merkt dass die ganzen Gerätschaften einen halten könnte man durchaus anfangen vielleicht unter Umständen eventuell Spaß an der Sache zu haben.

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Wir werden umkarabinert, jetzt auf eine Hängebrücke, allerdings netterweise eine mit Halteseilen links und rechts. Man sieht zwar mehr Boden (sehr weit entfernten Boden), aber mit den Handseilen ist die Sache schon beinahe harmlos. Zwei weitere kurze Ziplines folgen, bei der zweiten sollen doch bitte alle mal nicht den Gurt umklammern sondern wie Vögel mit Armen flattern, und bei der dritten wärs doch mal eine nette Abwechslung rückwärts die Stufen runterzugehen und sich rückwärts fallen zu lassen. Was wir auch alle brav tun und in wachsendem Maße Spaß an der Sache haben, es hat schon was, durch die Baumwipfel zu sausen und den Wald mal aus dieser Perspektive (und in dem Tempo) zu durchqueren. Wir zippen vorbei an riesigen Farnwedeln und glitschigen Baumstämmen und fangen an, es normal zu finden.

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Dann kommt das Highlight: 46 Meter über dem Waldboden, die höchste Plattform (alle außer der ersten haben kein Geländer mehr, aber wir werden sofort nach der Landung an ein Kabel angeklickt das um den Baumstamm verläuft), und es folgt die längste Zipline, 200 Meter. Juiiiii … Klasse! Mehr davon! Wer sicht traut darf auch mal Spökes am Seil machen, zum Beispiel kopfunter zippen, oder in Liegeposition mit den Händen bequem hinterm Kopf.

Und viel zu schnell ist die Sache zuende. Wir haben schon beim Hinweg durch den Wald ein paar Sachen über Neuseelands Urzustand gehört (bevor der Mensch eingriff), auf einigen Plattformen stehen Infotafeln zu Vögeln, und als wir die letzte Zipline runtergerauscht sind gibt es am Waldboden noch ein paar Infos zur Pest Control, dem Bemühen der neuseeländischen Regierung im Allgemeinen und des Tourveranstalters in dieser Region im Besonderen, „pests“ wie Ratten, Possums und Wiesel auszurotten, weil sie nicht nur Neuseelands Vogelwelt drastisch dezimiert haben, sondern auch noch die Bäume kahlfressen.

Unter den Bäumen haben wir es gar nicht richtig bemerkt, und auf der Zipline waren wir zu sehr mit Fliegen beschäftigt, aber es hat wieder richtig angefangen zu regnen. Der Bus schwimmt zurück zur Basis, wo wir ausgewickelt und auf Wunsch ins Hotel geshuttelt werden. Sieben Uhr – also jetzt muss aber mal ein richtiges Abendessen her, gestern gab’s nur eine Minitüte Chips und heute mittag das Junkfood. Der freundliche Rezeptionist empfiehlt einen zum Glück fußläufig erreichbaren Italiener, und da gibt es einen leckeren Caesar’s Salad und einen ganz köstlichen Fruchtcocktail.

Morgen ist schon wieder früh aufstehen angesagt, weil ich (mal wieder) upgepickt werde. Morgen wirds wieder heiß. Nicht nur, weil angeblich morgen die Sonne wieder rauskommen soll.

Morgen ist Geothermal Day.

 

 

 

 

Heiße Sache

Wie erwartet hat es keine weiteren Interessenten für die Coromandel Coastal Walkway Tour gegeben. Ich habe ersatzweise die Wahl zwischen der Tour nach New Chums Beach und der Tour zur Cathedral Cove/Hot Water Beach, die Managerin empfiehlt letzteres. Und da Cathedral Cove und Hot Water Beach schon beinahe Pfichtprogramm für jeden Coromandel-Besucher sind, folge ich ihrem Rat.

Da die Tour erst um 11.30 startet habe ich noch viel Zeit – wie wär’s mit einem Tee-und-Toast-Frühstück einem netten Café? Aber: Radio Eriwan lässt grüßen – im Prinzip ja, nur leider heute nicht. Heute ist nämlich Keltic Fair, ein großer Jahrmarkt auf dem Schulgelände, zu dem haufenweise Leute erwartet werden, und weil soviele Bewohner dort engagiert sind und es dort auch viele Essensbuden gibt, fährt die örtliche Gastronomie heute ein Sparprogramm. Immerhin bekomme ich im Coromandel Café einen Tee der auch so schmeckt als wär’s wirklich einer, und dazu ein großes rundes Shortbread und einen großen Chocolate Cookie. Bisschen süß das alles, aber nicht schlecht.

Weil ich noch viel Zeit habe gehe ich mir die Keltic Fair mal ansehen, und zwar gleich nach der Eröffnung um 9 Uhr, da  ist noch nicht so viel los. Das ist wirklich ganz nett, es gibt alles mögliche und einiges Unmögliche, darunter ein paar Wundermaschinen die alles können und ein paar Wundermittel die gegen alles helfen. Aber es ist auch viel arts and crafts dabei, handgemachter Schmuck, selbstgemachte Schneidbretter und handgenähte Hüte. Außerdem gibt es Nonstop-Musikprogramm, den Anfang macht eine energiegeladene Trommeltruppe

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und danach kommen die Bagpipes

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beide euphorisch beklatscht.

Nach einem kurzen Abstecher zurück zum Hotel um ein bisschen Verpflegung zu bunkern geht es dann zur vereinbarten Zeit los. Insgesamt sind es circa 12 Leute, die mit Steve im Kleinbus via Whitianga erst zur Cathedral Cove und dann später weiter zur Hot Water Beach fahren. Das geht allerdings nicht „mal eben“. Wir müssen über den Höhenzug auf die andere Seite der Insel, und die Straße ist mindestens zu kurvig wie gestern die nach den Rapaura Watergardens. Zum Glück darf ich ganz vorne sitzen, damit mir nicht „queasy“ wird. Die letzten paar Meter schafft der schnaufende Kleinbus offenbar nur weil Steve ihm anfeuernd das Armaturenbrett tätschelt, danach atmet er tief durch und rast bergab Richtung Whitianga. Dieser Ort ist deutlich größer als Coromandel Town und wesentlich lebhafter, aber längst nicht so schön. Wir fahren danach noch etwa eine Dreiviertelstunde, bis wir den Parkplatz bei Cathedral Cove erreichen.

Cathedral Cove ist eine der großen Sehenswürdigkeiten der Coromandel. Ähnlich wie beim Hole in the Rock in der Bay of Islands hat das Wasser im Lauf der Zeit ein Loch in einen Felsen gefressen, allerdings in diesem Fall in einen Felsen der nun an einem Strand liegt. Aber es ist nicht so, dass man einfach vom Parkplatz ein paar Schritte zum Strand geht. Oh nein. Cathedral Cove liegt verborgen am Fuß eines steilen, bewaldeten Abhangs. Und wer dorthin will hat genau zwei Möglichkeiten: Entweder übers Wasser, zum Beispiel per Wassertaxi von Whitianga, oder zufuß über den Cathedral Cove Walkway, und der ist definitiv nichts für Asthmatiker. Wir nehmen den Walkway. Die Wegführung erinnert ein bisschen an die Driving Creek Railway oder auch die Kurvenstraßen die wir heute gefahren sind, er schlängelt sich von hier nach da und wieder nach hier, durch Buschwerk und riesige Farne, und er hat ganz ordentlich Steigungen und Gefälle. Die Leute, die uns entgegen kommen, haben überwiegend rote Gesichter, durchgeschwitzte Hemden und schnaufen hörbar. Die letzten 100 Meter bis zum Strand hinunter gehen über eine halsbrecherisch steile Treppe.

Und nachdem wir wieder zu Atem gekommen sind packen wir die Schuhe weg und die Fotoapparate aus.

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Vermutlich ist es ein Glück, dass Cathedral Cove so schwer zugänglich ist, sonst wäre es dort noch voller als ohnehin schon.

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Wir arbeiten uns wieder zurück zum Parkplatz, und oben angekommen haben wir rote Köpfe, durchgeschwitzte Hemden und wir schnaufen ganz ordentlich.

Steve gabelt uns auf und bringt uns noch ein paar Kilometer weiter zur Hot Water Beach. Hier liegen unter dem Strand heiße Gesteinsschichten, die das Wasser in den Schichten darüber erhitzen, so dass es zu Gas wird und durch Risse im Gestein nach oben steigt, wo es zwar kühler wird und auch wieder flüssig, aber doch noch immer ziemlich warm ist. Und wenn man an einem bestimmten Strandabschnitt bei Ebbe mit der geliehenen Schaufel ein großes Loch gräbt, füllt sich dieses mit heißem Wasser, und man kann sich in einen schönen heißen selbstgegrabenen Pool legen. Der Strandabschnitt in dem das funktioniert ist vielleicht 40 mal 40 Meter groß, und da wir Hauptsaison haben sieht Hot Water Beach aus wie ein Ameisenhaufen, in dem die Leute beim Buddeln quasi übereinanderfallen.

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Ich verzichte auf Spaten und Buddelei und mache einen schönen erholsamen Strandspaziergang am Buddelfeld vorbei, und selbst am Rand des Feldes merke ich beim Gehen plötzlich dass die Füße warm werden. Ich bohre meine Füße nur wenige Zentimeter in den Sand und ziehe sie eiligst wieder heraus – Heidewitzka, da kann man sich echt Verbrühungen holen!

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Der Himmel hat sich in den letzten Stunden immer mehr zugezogen, es gab immer mal wieder sonnige Zwischenspiele aber nun wird es langsam richtig grau. Kurz nachdem wir wieder zu Steve in den Bus geklettert und abgefahren sind fängt es an zu regnen (perfektes Timing!), und es hat bis jetzt noch nicht aufgehört. War dringend nötig, die Wiesen hier sind schon ziemlich gelb und die Straßen staubig. Wetteronline zeigt für morgen eine graue Wolke mit Regentropfen, aber da ich ohnehin den halben Tag im Bus verbringen werde kann mir das vergleichsweise egal sein.

Rotorua, here I come!

Grün grün grün

Wenn der Blick auf das Smartphone nicht bestätigen würde, dass heute der erste Januar ist, wäre mir der Jahreswechsel völlig entgangen. Silvester? Feuerwerk? Partys und Gegröle bis in die Nacht? Mit Feuerwerksmüll bedeckte Straßen? Nicht in Coromandel Town. Kein Feuerwerk, keine Partys, nix. Ich konnte ungestört schlafen. Ich ziehe die Gardinen weg und voilà, die Sonne scheint. Der Magen knurrt (vermutlich aus Zorn über die Dosenspaghetti von gestern, die genau so schmecken wie alle anderen Dosenspaghetti im Rest der Welt, heute abend will ich doch lieber was richtiges essen gehen), also gehe ich kurz nach 7 Uhr die 100 Meter zum Bakehouse, das jeden Tag und auch an Feiertagen um 5.30 öffnet. Es gibt zwar nicht das erhoffte Schokocroissant, aber eine Blätterteigapfeltasche tuts auch. Wieder zurück gibts Frühstück in der Sonne auf dem Balkon,

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ich mache mir einen Tee, der vermutlich ein Allroundgetränk ist das je nach Wunsch in verschiedenen Verpackungen als schwarzer Tee, grüner Tee, Kräutertee oder Muckefuck durchgeht, der Geschmack hat irgendwas mit Frühstück zu tun und mit zwei Tütchen Zucker kann man ihn auch trinken, aber ob das nun wirklich schwarzer Tee war sei mal dahingestellt. Schnell ein bisschen Orangensaft hinterher kippen.

Um kurz nach 9 biegt zwar kein Taxi, dafür aber ein Privatwagen mit einer freundlichen Maori driver um die Ecke und erkennt mich mit geschultem Blick als wartende Taxikundin. Alle Haupttaxis sind unterwegs, sie hofft es macht mir nichts aus dass sie mit ihrem Privatwagen fährt. Sie sagt sie ist noch ein bisschen müde weil sie erst um 3 Uhr zuhause war – oha. Wo ich hin möchte? Rapaura Watergardens? Kennt sie nicht. Wir googeln gemeinsam die Adresse, und sie macht sich auf den Weg, eine Hand am Lenker, in der anderen Hand das Smartphone mit der Wegbeschreibung auf das sie immer wieder schaut. Und weil sie gegen halb elf die nächste Kundschaft bei Hannafords Wharf aufgabeln muss und wir erst gegen 10 bei den Watergardens sein werden (sagt Google Maps) fährt sie in ziemlich halsbrecherischen Tempo über eine Strecke die ausschließlich aus unübersichtlichen Kurven und one way bridges zu bestehen scheint. Zuhause wäre sie beim ersten Zusammentreffen mit einem Polizeiwagen sofort ihren Job los, aber sie macht das ziemlich routiniert, fragt zwischendurch mal freundlich „Am I scaring you with my driving? Don’t worry, I’ll take care of you!“ und schlängelt sich in rasender Geschwindigkeit durch die engen Kurven.  Wir erreichen die Watergardens kurz vor 10. Sie wird mich erst gegen halb zwei wieder abholen können, aber ich soll mir keine Sorgen machen, sie wird mich schon zu meiner 14-Uhr-Tour bringen.

Die Watergardens sind absolutely lovely. Auf verschlungenen, teilweise überwucherten Wegen schlendert man durch eine grüne Wildnis, in der immer mal wieder ein paar kleine Kunstwerke stehen, Wasser ist fast überall, ob als Teich oder als Wasserspiel.

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Der Weg endet an einem kleinen Wasserfall

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Ich bin gegen 11.30 Uhr zurück und bestelle im Café Koru etwas, was ganz unspektakulär „Half a Pizza with salad“ heißt, und was dann kommt ist ein wahres kleines Pizzagedicht. Drei kleine aber hoch mit Oliven, Pilzen und Tomaten belegte und mit leckerem Käse versehene Scheiben, die zusammen so ungefähr die most delicious half-a-pizza ever bilden. Genial gut.

Die freundliche Fahrerin holt mich dann doch gegen 12.45 Uhr ab und wir verbringen eine nicht ganz so hektische, dafür sehr unterhaltsame Fahrt zurück nach Coromandel Town, am Schluss stellen wir fest dass Katzen und Kinder gar nicht so unterschiedlich sind. (Vom Fell jetzt mal abgesehen.)
Sie setzt mich am Parkplatz ab wo der Bus für die Kauriwald-Tour abfährt, der auch beinahe im gleichen Moment kommt. Die Fahrerin kennen wir schon, sie hat die Shuttletour vom Fähranleger nach Coromandel Town begleitet. In einem vermutlich aus den 70ern stammenden Diesel-Dinosaurier, dessen Tür nicht richtig schließt und dessen Fahrer-Sonnenschutz alle 15 Sekunden runterrutscht, so dass die Fahrerin ihn alle 15 Sekunden mit einer Hand hochrollen muss, biegen wir auf die berühmt-berüchtigte Schotterpiste der 309 Road ein, die nicht aussieht als wäre sie für Kleinbusse ausgelegt, genau so wenig wie für Gegenverkehr, aber irgendwie erreichen wir (jetzt darf das Wortspiel wirklich mal ran) durchgeshüttelt den Waiau Kauri Grove, wo ich erstmals Kauribäume sehe. Es sind 5 oder 6, die da den Wald um sie herum deutlich überragen, und doch handelt es sich nach Kaurimaßstab um Teenager, erst circa 300 Jahre alt.

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Richtig erwachsene Kauris sind noch höher und haben bis zu 8 Meter Stammdurchmesser. Selbst unsere Teenager sehen schon sehr imposant aus, und es ist schade dass die Kauris gerade überall vom sogenannten Kauri dieback, dem Kauristerben bedroht werden, durch einen Mikroorganismus der offenbar mit der Erde verschleppt wird und die Wurzelfasern durchlöchert, so dass der Baum verdurstet. Man tut in Neuseeland was man kann um das Sterben einzudämmen, an allen touristisch genutzten Kauristandorten stehen Desinfektionsstationen, und es ist verboten von den wurzelfernen Pfaden abzuweichen. Leider ist zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig unklar ob all diese Vorsichtsmaßnahmen etwas nützen werden, denn der Erreger überlebt bis zu 10 Jahre im Erdreich, und es ist nicht unwahrscheinlich dass bereits vor dem Einrichten der Sicherheitsmaßnahmen Erreger angeschleppt wurden.

Wir rattern staubwolkenverbreitend zurück und machen noch einen kleinen Zwischenstopp an einem kleinen Wasserfall mitten im Wald, bevor wir um 16 Uhr wieder in Coromandel Town sind. Die Tourbuchung für morgen ist nach wie vor unklar, aber da es bis jetzt keine weiteren Interessenten gibt gehe ich davon aus dass sie nicht stattfinden wird. Ich werde wohl bei einer der anderen Touren mitfahren.

À la recherche du Lasagne perdu: In dem Bistro wo ich gestern den leckeren Chicken Slaw bekommen habe, hatte ich an der Theke große Scheiben Beef Lasagna gesehen und beschlossen, dass ich die mal probieren muss. Als ich heute Abend zur Theke komme steht zwar das Schild „Beef Lasagna“ noch da, allerdings ohne Beef Lasagna dahinter. „What can I get you, dearie?“ Ich frage nach eventuell vorhandenen Resten der Lasagne, eigentlich nur vollständigkeitshalber weil ich nicht glaube dass sie irgendwo noch was herzaubern kann. „I’ll just go and have a look“ verspricht sie und verschwindet im Küchenbereich. Und wirklich: „You’re in luck!“ sagt sie und hat das letzte Stück Lasagne dabei. Und das ist, genau wie die Pizza von heute mittag, ein absoluter Glückstreffer. Schön saftig, lecker gewürzt, viel Fleisch drin, und dazu gibt es noch ein kleines Töpfchen scharfen Dipp, ähnlich dem Sambal Oelek, schmeckt supergut dazu.

Und das war’s dann auch schon für heute. Ich sitze mit Fleecejacke auf dem Balkon und mache den Blog fertig, und dann geht’s ins Bett. Mal sehen was der morgige Tag so zu bieten haben wird! (Rein essensmäßig dürfte es ihm aber schwerfallen, den heutigen Tag zu überbieten.)