Wellywood

Die befürchtete Badezimmerüberschwemmung ist nicht eingetreten – allerdings nur, weil der Wasserdruck so niedrig ist dass man quasi jedes Haar einzeln waschen muss. Es rieselt unlustig am Duschkopf herunter. So macht Duschen nicht wirklich Spaß und dauert deshalb nur so lange wie unbedingt nötig. Unterstellen wir dem Hotel mal Umweltbewusstsein statt Sparsamkeit oder technischem Problem.

Zum Frühstück gehe ich dann in die Cuba Street und schaue dort nach geöffneten Cafés die nicht nur warmes, sondern auch Toast-Frühstück anbieten. Ich lande im „Floriditas“, einem coolen Laden der französische Chansons spielt und eine einladende Gebäcktheke hat. Nun, liebes Hotel, DAS ist ein Frühstück:

Richtiger Blatt-Tee, selbstgebackenes Körner-Toastbrot (!) und selbstgemachte Himbeermarmelade. Lecker und sättigend.

Ich nehme den Bus Nummer 2 zur Halbinsel Miramar – Wellington hat ein gut ausgebautes und relativ gut dokumentiertes Nahverkehrssystem. Die Fahrt geht durch Vorstädte mit viktorianischen Holzhäusern

und durch einen niedrigen einspurigen Tunnel, der vom Anfang des 20. Jahrhunderts stammt und der vermutlich auf Zeit und Ewigkeit verhindern wird, dass in Wellington Doppeldeckerbusse eingeführt werden.

In Miramar befindet sich das Herz der Wellingtoner Filmindustrie: Die Stone Street Studios, Weta Workshop, und Park Road Post Production. Studios und Post Production sind nicht zugänglich, Park Road Post kann ich aber immerhin von außen ansehen.

Nun aber habe ich ein Date mit dem Weta Workshop, nämlich eine Window-to-the-Workshop-Tour, Startpunkt ist die Weta Cave.

Zunächst muss man an einem Troll vorbei:

dann gehts zur Touranmeldung mit angegliedertem Shop:

Ich bin diesmal mit Absicht früh gekommen, weil ich mir in Ruhe den Shop ansehen möchte. Dort ist Fotografieren erlaubt, das ist schön, denn es gibt unglaublich viel zu sehen. Direkt neben der Anmeldetheke steht die Originalrüstung von King Theoden:

Daneben ein paar Orcmasken, ebenfalls Originale:

Gollum darf natürlich auch nicht fehlen.

Weta hat sich übrigens nach einer Riesengrille benannt, die in Neuseeland heimisch ist und die eben Weta heißt:

Beim Dreh von LOTR ist eine echte Weta mal Peter Jackson aufs Bein gehüpft, und der große Meister, der so gerne Horror-Splatter-Filme dreht und am liebsten eimerweise Kunstblut und Totenschädel einsetzt, wusste sich vor Schreck und Abscheu gar nicht zu lassen, ich glaube ein mutiger Mitarbeiter musste das Krabbeltier entfernen.

Der Shop selbst ist natürlich eine Fundgrube für LOTR- und Hobbit-Fans. Man könnte ein mittelgroßes Vermögen loswerden, wenn man zum Beispiel Miniaturen sammelt oder Nachbaue der Waffen. Aber es gibt auch viel für den schmaleren Geldbeutel.

Ich könnte mir problemlos eine dicke Tasche voll Sachen kaufen, leider ist im Koffer nicht mehr so viel Platz, also bleibt es bei neuen Büroteetasse, die ich hoffentlich heil nach Hause bekomme.

Bei soviel Sachen zum Ankucken verpasse ich fast meine Tour. Auf der Tour ist fotografieren strengstens verboten, ich kann also leider keine einzige von den tollen Sachen aufnehmen die wir zu sehen bekommen. Haufenweise Originalrequisiten aus LOTR, dem Hobbit und diversen anderen Filmen, für die Weta alles mögliche geliefert haben, von Requisiten über Masken und Kostüme bis zu Perücken und Design. Hier steht Saurons Rüstung, da hängen Pfeile am Pfeiler, in dieser Vitrine stehen Helme und Kleidung der Elfen des ersten Zeitalters, hier ist ein Hobbitfuß zu sehen und dort der Kopf des Balrog … Wenn man doch nur Fotos machen könnte! Dann würde ich heute die 200er Marke sicher wieder sprengen.

Die Tour wird geleitet von einem sogenannten Weta-Baby, ein junger Mensch Anfang zwanzig, dessen Eltern schon im Weta Workshop gearbeitet haben und der bereits im zarten Alter von 13 ebenfalls zur Workshop-Crew gestoßen ist. Er gibt einen guten Blick hinter die Kulissen der Arbeit im Workshop und erzählt von der Herstellung der Gesichtsnachbildungen der Schauspieler, die als Grundlage für Dummies und Gesichtsprosthetik dienen, von der Herstellung von Kunstblut mittels Wasser, Farbe und Kaffee, und täuschend echten Kettenhemden die aus Scheiben von Druckluftschläuchen und einer geheimen Geheimzutat bestehen, die Weta patentiert hat.

Die Tour soll planmäßig eine Dreiviertelstunde dauern, wir überziehen ein bisschen, müssen dann aber doch gehen weil hinter uns schon die nächste Tourgruppe anrückt. Ich schaue mir noch die kostenlose Doku im hauseigenen Mini-Kino an, in der die Enstehung von Weta und die Entwicklung und Errungenschaften der vergangenen etwa zwanzig Jahre geschildert wird. Ist schon beeindruckend, wie klein die angefangen haben und was sie alles erreicht haben.

Gegen halb eins fahre ich wieder mit dem Bus zurück Richtung Stadt, entscheide mich aber spontan, kurz hinter dem Bustunnel aus- und den Berg hinauf zum Mount Victoria Lookout zu steigen, von wo man die beste Aussicht über die Stadt haben soll. Außerdem geht der Weg durch einen Wald wo in LOTR die Szene spielt, in der die schwarzen Reiter erstmals auf die Hobbitgruppe treffen. Auch hier wird klar, warum sich P. Jackson für diesen Ort entschieden hat. Der Wald ist voll riesiger knorriger Bäume, und weil sich der Himmel inzwischen bewölkt hat und ein steifer Wind weht, wirkt der Wald durchaus unheimlich.

Der Weg wird ziemlich steil, ich komme richtig ins Schwitzen, auf den letzten Metern muss ich klettern wie eine Bergziege. Oben angekommen muss ich dann noch einen Hügel erklimmen, und da ist sie dann, die Aussicht. Nur halt ein bisschen bewölkt.

Jetzt wirds hier richtig kalt, es zieht wie Hechtsuppe. Schnell zur Bushaltestelle, die es hier oben zum Glück gibt.

Und wieder schlägt Radio Eriwan zu: Im Prinzip ja. Nur nicht am Wochenende, da fährt hier kein Bus. Die Straße entlang zu gehen empfiehlt sich nicht, da gibts keinen Bürgersteig. Muss ich wirklich den ganzen Waldweg zurück gehen …? Es hilft nix. Zum Glück hab ich heute morgen die Regenjacke und ein Halstuch eingepackt, sonst würde ich mir bei dem Wind hunderprozentig eine Erkältung einfangen, weil ich immernoch ziemlich verschwitzt bin. Also tüte ich mich ein und gehe den ganzen Waldweg wieder zurück. Ganz schön einsam hier … Immerhin geht runter schneller als rauf. Ich kann den Wald schließlich verlassen, gehe auf der Suche nach einer Bushaltestelle eine Straße runter und finde mich völlig überraschend am Courtenay Place wieder, genau vor dem Embassy Cinema, dem berühmten Uraufführungs-Kino von „The Lord of the Ring: The Return of the King“ und „The Hobbit: An Unexpected Journey“. Und weil es jetzt auch noch anfängt zu regnen und ich für heute keine weiteren Pläne habe, gehe ich rein und löse eine Karte für „Rogue One“.

Das Embassy ist ein altes Schätzchen, richtig schön gestaltet. Ich gehe in den ersten Stock um was zu essen. Sieht gar nicht aus wie ein Kino da oben, mehr wie bei Harrods im Restaurant.

Sogar der Waschraum ist nobel.

Der Film ist dann auch gar so schlecht, kein Geniestreich aber eine ganz nette Idee.

Als ich aus dem Kino komme hat es sich vollends eingeregnet. Das wäre heute Abend mal eine gute Gelegenheit, die Wäsche zu machen, zumal heute Urlaubs-Halbzeit ist. Ich nutze also die Guest Laundry, die zum Glück auf meinem Stockwerk ist. Und weil ich auch noch was zu Abend essen muss, gönne ich mir den Luxus des Zimmerservice und bestelle einen Teller Potato Wedges. Da kann auch das Hotel nichts falsch machen, die sind ganz in Ordnung, aber von der Portionsgröße her offenbar für eine Kompanie gedacht.

Draußen heult der Wind um die Ecken und schmeißt mit vollen Händen Regen gegen die Scheiben. Kann mir jetzt egal sein, und auch für morgen habe ich ein ziemlich wetterunabhängiges Programm. Kulturtag.

 

 

 

Ein Gedanke zu „Wellywood

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert