Ein Schmalspurtag

Endlich mal ein normaler Morgen. Ich hatte zwar den Wecker auf 6 Uhr gestellt (nicht ohne zuvor die Uhrzeit korrigiert zu haben), bin aber von selbst um kurz nach 5 wach und fühle mich durchaus ausgeschlafen. Wunderbares Bett, wenn alle Betten in den noch folgenden Hotels so wären, käme mir das übliche Warum-man-wieder-nach-Hause-fährt-Argument abhanden das da lautet: „… aber ich freu mich schon auf mein eigenes Bett!“ Ausgiebig Duschen und Haare waschen ist angesagt. Dann ein paar Anrufe nach Hause – in der Traveler SIM Card von vodafone sind 200 Minuten enthalten, die man nicht nur in NZ sondern z.B. auch nach Deutschland vertelefonieren kann. Zuhause offenbar alles in Ordnung (zumindest hat meine Mutter nichts davon gesagt dass Madämchen in Hungerstreik getreten ist und nun untröstlich der Magersucht anheim fällt). Ich mache mir in meiner Luxussuite (die wie ich feststelle auch noch über Waschmaschine UND Trockner verfügt) einen Tee und frühstücke gemütlich vor dem Fernseher, mit den Füßen auf dem Tisch, das letzte Schokocroissant vom Vortag. Das Taxi ist pünktlich und fährt dort vor wo ich warte, es bringt mich unter Umgehung der zahlreichen Baustellen (Auckland bekommt grade seine erste U-Bahn, ein Projekt das Milliarden kostet und bis mindestens 2022 den Straßenverkehr erheblich behindert, aber den morgendlichen gridlock im Berufsverkehr reduzieren soll) zum Hafen. Am Pier wo die Fähre nach Coromandel abfährt steht schon eine ziemliche Schlange, ich löse meinen Voucher gegen ein Ticket und setze mich diesmal lieber in die Innenkabine, ich werde heute nachmittag noch genug draußen sein. Zwei Stunden entspannter flotter Schiffsfahrt später (vorbei an den Inselchen im Golf von Auckland, wieder eine ganz zauberhafte Kulisse)

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landen wir bei strahlendem Sonnenschein an Hannafords Wharf und werden im Bus nach Coromandel Town geshuttelt. Coromandel Town ist ein winziges Städtchen auf der Coromandel-Halbinsel, mit einem winzigen towncenter, den man in 5 Minuten durchqueren kann. Der Ort ist aber ganz hübsch mit seinen Holzhäuschen, ist ein beliebter Ausgangspunkt für Tagestouren, und wimmelt heute von Menschen. Die Busbegleiterin sagte es gäbe zur Zeit kein einziges freies Bett im Ort. Zum Glück hab ich ja reserviert und marschiere mit dem so praktischen Rollrucksack die lächerlichen 300 Meter, die mich schon nach 20 Schritten raus aus dem Ort bringen und an deren Ende mein Hotelchen liegt. Die Anlage hat durchaus was Malerisches und wirkt mit den einzelnen Holzhäusern und den vielen Blumen und Baumfarnen nahezu tropisch.

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Ich habe eine Wohnung im zweiten Stock eines des Holzhäuschen, vorne ist eine Küchenzeile drin, ein Bad mit Fenster (!), ein Wohn-Schlafraum mit Doppelbett und Einzelbett, und dann noch ein niedlicher kleiner Balkon mit Blick auf den Hafen.

Innen wirkt das Ganze dann aber doch zumindest ein kleines bisschen nicht-mehr-so-neu. Es ist alles ausreichend sauber (naja, im Schrank könnte auch mal einer wischen, aber sonst alles einwandfrei), aber ungeschickterweise sind Teppichboden, Möbel und gardinen schwarz-grau, und da der Balkon von riesigen Farnen beschattet ist wirkt das Zimmer eher dunkel.

Schnell ein bisschen einrichten und dann erstmal Mittagessen suchen. Es gibt jetzt doch mal was halbwegs Gesundes: Chicken Slaw mit gerösteten Cashews, Mixsalat und Apfeldressing, sehr lecker, und das Gewissen kann sich jetzt endlich auch mal schlafen legen.
Es hat sich etwas bewölkt, was von Vorteil ist, weil ich sonst die Dreiviertelstunde Fußmarsch zur Driving Creek Railway in der Mittagshitze machen müsste. Entlang der Landstraße und mit der Hilfe von Google Maps komme ich auch problemlos hin.

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Die Driving Creek Railway ist eine Schmalstspur-Eisenbahn, die Neuseelands erster hauptberuflicher Töpfer mit seinen eigenen Händen gebaut hat, Schienen, Lok und alles drum rum. Ursprünglich zu dem Zweck, damit Holz und Lehm vom Berg herunter in seine Werkstatt befördern zu können. Und weil ihm der eine Hektar Land, den er ursprünglich besaß, nicht genug war, kaufte er später noch 60 Hektar Bergurwald dazu, in dem er seine Eisenbahn hochzog, wozu er dann einen dicken Kredit aufnehmen musste. Die Grenzen seines Landes kannte er zwar nicht genau, aber immer wenn ein Nachbar vor der Tür stand und höflich bat, er möge seinen Schienen doch bitte in seinem eigenen Land verlegen und nicht auf fremdem, baute er eben einfach eine Kurve ein die vom Nachbarn wieder wegführte. So etwa nach 10 Jahren hat die Bank dann wohl gemerkt dass er bisher noch keinen Dollar vom Kredit zurückgezahlt hatte – und als sie es dann merkten war er leider ziemlich abgebrannt. Also hat die Bank ihn gerüffelt und ihm dann „nachdrücklich“ nahegelegt, seine Werkstatt und die Eisenbahn der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und Eintritt zu nehmen, damit mal wieder ein bisschen Geld fließt. So entstand eine Touristenattraktion, die bis heute zahlreiche zahlende Gäste nach Coromandel Town bringt. Es gibt drei Züge, in der Hauptsaison sind zwei davon mehrmals täglich unterwegs, und heute sind fast alle schon ausgebucht. Nach 15 Uhr geht es dann also auch für mich mit der Mini-Eisenbahn im Schneckentempo ratternd aufwärts, in Spiralen, über selbstgemachte Viadukte und über einige Wendepunkte (plötzlich fährt man rückwärts) durch den Urwald, die Bahn schraubt und windet sich zwischen Palmen, Farnen, Kanuka und frisch gesetzten Kauribäumen nach oben, immer wieder vorbei an selbstgetöpferten kleinen Kuriositäten oder teilsweise behelfsmäßig errichteten Stützwänden, teils aus selbstgebrannten Ziegeln, teils mit selbstgebrannter Keramik verkleidet und teils einfach aus mehreren hundert leeren Flaschen der örtlichen Pubs oder auch mal aus gebrauchten Autoreifen errichtet (wer kein Geld hat braucht Ideen).

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Am höchsten Punkt seines Landes hat er eine Aussichtsplattform errichten lassen die tolle Aussichten über den Bergurwald und über die Bucht auf die Inseln bietet.

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Nachdem jeder etwa 200 Fotos geschossen hat rappeln wir gemächlich wieder bergab. Unten angekommen hat sich die Sonne wieder mehr Freiraum verschafft, und ich marschiere in vollem Sonnenschein zurück nach Coromandel Town. Abendessen? Eigentlich könnte ich ja auch einfach mal eine Dose warm machen, wenn ich schon eine Küchenzeile habe. Also ab in den nahen Supermarkt: Dosenspaghetti, Joghurt und Müsliriegel für die nächsten Tage. Der Ablauf der nächsten beiden Tage ist noch nicht ganz sicher: Eigentlich bin ich übermorgen für eine Tageswanderung über den Coastal Walkway angemeldet, aber bis jetzt ist noch nicht sicher ob die Tour stattfinden wird, weil sich bisher niemand sonst angemeldet hat. Das wäre wirklich schade, die Tour würde ich gerne machen, aber wenn sie ausfällt hat der Veranstalter noch alternative Touren im Angebot bei denen ich ersatzweise mitfahren könnte. Für morgen habe ich gerade telefonisch noch eine Guided Tour durch einen Kauriwald gebucht. Die geht erst um 14 Uhr los, da wäre ja noch der ganze Vormittag frei. Und da fallen mir die Rapaura Watergardens ein – die hatte ich von Anfang an eingeplant, aber man kommt nur mit dem Auto hin und das Taxiunternehmen, das ich in der Planungsphase angemailt hatte, konnte zu dem Zeitpunkt noch nicht sagen ob sie am 1. Januar einen Fahrer haben. Nun also Anruf beim Taxiunternehmen, und siehe da: Ja, es klappt. Morgen früh um 9 Uhr Abfahrt zu den Watergardens, da werde ich circa 2 Stunden Zeit haben weil ich vor der Kauriwaldtour um 14 Uhr noch was essen will.

Na bitte. Geht doch.

3 Gedanken zu „Ein Schmalspurtag

  1. Liebe Elke, was für verrückte Dinge es doch auf der Welt gibt …wie diese Bahn… Dir einen guten Startnach 2017 und liebe gruesse wieder aus der kalten Heimat, es ist 20.20h, minus 1,8 grad wir werden nicht so lange draussen knallen … Gaby

  2. Ich hab mich gerade leichtsinnigerweise für Mitternacht am Rhein verabredet, da muss ich mich superwarm anziehen. Dieses Problem hast du ja in NZL nicht. Viel Spaß am ersten Tag des neuen Jahres, wir müssen noch zwei Stunden darauf warten.

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