3 Tage wandern im Abel Tasman National Park

Ich frühstücke im Hotel, es gibt ein wirklich gutes Büffet mit reichlich Auswahl. Praktischerweise darf ich meinen Koffer für die drei Tage, die ich im Nationalpark bin, im Hotel lassen. Gegen viertel nach zehn kommt der Bus von Wilsons, einem renommierten und alteingesessenen Veranstalter von Touren im Abel Tasman Nationalpark. Carl, der Fahrer, stöhnt über den Ersatzbus den er heute fahren muss, der richtige Bus ist in der Inspektion und nun muss er stattdessen dieses alte Relikt aus den Siebzigern nehmen, er rührt in der Gangschaltung wie in einer Gulaschkanone und schimpft weil der die Gänge einfach nicht findet.

Insgesamt sind es dann 17 Leute, die bei bedecktem Himmel in Motueka vor der Wilson-Zentrale aussteigen. Jeder darf eine schon vorher gepackte Lodge Luggage Bag mitnehmen, die wird vorab mit dem Boot zur Lodge gefahren, und jeder nimmt einen Tagesrucksack mit und erhält von Wilsons eine Flasche Wasser, eine Plastiktasse für Tee und eine Lunchtüte. Wiedermal war vorher ein Formular auszufüllen mit Angaben zu den nächsten Angehörigen. Ich muss bei sowas immer an Erich Kästner denken: „Seien wir ehrlich, Leben ist immer lebensgefährlich“. Dann steigen alle wieder in den Bus, und wir werden nach Kaiteriteri gefahren, wo wir gegen viertel vor eins und bei strahlendem Sonnenschein auf die „Voyager“ gehen, ein kleines Passagierboot das die Küste des Parks hinauffährt und dabei in verschiedenen Buchten Passagiere absetzt oder aufnimmt.

Die Küstenlandschaft ist mal wieder wunderschön. Wir umkreisen den Split Apple Rock, kommen an ein paar kleinen Inselchen vorbei und können sogar Seehundwelpen sehen, die sich auf den warmen Felsen wärmen oder Spirenzchen im Wasser machen, das alles aber stets unter Mutters Aufsicht.

Anderthalb Stunden später legt die „Voyager“ in Totaranui an, einem größeren Campingplatz im Norden des Parks. Hier geht unsere Gruppe an Land und wird  von den beiden Guides Pippi und Michelle kurz über den weiteren Ablauf informiert. Jeder schnallt sich seinen Tagesrucksack auf den Rücken, und los gehts mit der ersten Wanderung. Die führt uns erstmal auf einem Buschpfad bergan, und Pippi legt vorneweg ein zügiges Tempo vor, weil wir in zwei Stunden die Fähre zur Lodge kriegen müssen, die dürfen wir nicht verpassen weil danach das Wasser durch die fortschreitende Ebbe zu niedrig für die Fähre sein wird.

Die Wanderung ist von vorne bis hinten zu schön um wahr zu sein.

Wir sind im Dschungel zwischen Nikau-Palmen, Baumfarnen, Manuka- und Kanukabäumen unterwegs, hören von einer Seite das Rauschen der Wellen am Strand, und rund um uns herum veranstalten Grillen, Bellbird und Fantail ein vielstimmiges Konzert. Es weht eine leichte Brise. Wenn man sich nur trauen würde, könnte man sich ständig nach irgendwas umsehen was gerade ganz faszinierend ist, das ist aber leider ziemlich gefährlich weil ein falscher Schritt fatale Folgen haben kann. Der Weg ist stellenweise recht steil, und an manchen Stellen führt er zwischen bewaldetem Abgrund auf der einen und Felswand an der anderen Seite hindurch. Es geht ein paarmal richig steil in Serpentinen hoch, und ich bin wirklich froh als ich hinter mir den ein oder anderen keuchen höre, weil ich mich dann nicht als einzige so konditionslos fühlen muss.

Pippi hält jedoch in Abständen immer wieder an, um etwas über Flora und Fauna zu sagen und um uns Zeit zum Atemholen und Wassernachtanken zu geben. Aber auch beim Bergabgehen gilt es, aufmerksam zu bleiben, weil einen ein Ausrutscher schneller zu Tal befördern kann als einem lieb wäre.

An manchen Stellen läuft ein kristallklares Bächlein neben dem Weg her und sucht sich traulich plätschernd seinen Weg durch ein manchmal flaches, manchmal tief eingefressenes Bett runter zum Meer. An zwei Stellen führt der Wanderweg über Strände, Bilderbuchstrände mit goldgelbem Sand, Muscheln, Treibholzstämmen und plitschenden Wellen. Die Umgebung ist so unglaublich schön und die Umstände so perfekt dass es kaum zu fassen ist dass das alles wirklich echt ist.

Wir erreichen das Delta von Awaroa früh genug. Pippi funkt das Flachbodenboot heran, und alle ziehen Schuhe und Strümpfe aus, krempeln (sofern man nicht ohnehin schon Shorts anhatte) die Hosen hoch und waten durch knietiefes Wasser bis zu der Stelle, an der das Boot auf uns wartet.

Safety first, wieder bekommt jeder erstmal ein Lifejacket, dann wird der Rasenmähermotor angeworfen und wir tuckern über das flache Delta hinüber zur Awaroa Meadowbank Homestead, dem Nachbau der ersten Homestead von 1894.


Die Homestead ist nicht das einzige Gebäude im Deltabereich von Awaroa, aber vielleicht das schönste. Stilmäßig ist sie dem Originalgebäude nachempfunden, ganz aus Holz, hat hübsch bepflanzte Umlagen und ist massiv und geschmackvoll eingerichtet. Wir werden auf die Zimmer verteilt, und ich bekomme den Luxus eines Einzelzimmers. Rustikal aber stilvoll und anheimelnd, mit einfachem aber gut durchdachtem Bad.

Da wir mitten im Nationalpark sind muss mit Wasser und Strom gehaushaltet werden, und jeder wird angehalten seinen Müll bitte wieder mit aus dem Park hinauszunehmen. Man wird gebeten nicht unendlich lange zu duschen und jede Energieverschwendung zu vermeiden. Man darf zwar Ladegeräte anschließen, aber Netzempfang gibts hier nicht. Zwar gibt es sei neuestem WiFi, das vom Project Janszoon gesponsort wird, aber man kann ausschließlich mit PayPal bezahlen, selbst wenn man seine Kreditkartendaten hinterlegt ist das Anlegen eines PayPal-Kontos Pflicht, und weil ich mit PayPal nichts am Hut habe gibt es halt drei Tage lang nun keine Kontakte zur Außenwelt.

Die Verpflegung ist schon beinahe luxuriös. Wasser und Säfte, Tee und Kaffee kann sich jeder nach Belieben nehmen, bezahlen muss man nur Bier, Wein oder Limonaden. Obst steht ebenfalls immer bereit, und vor dem Abendessen gibt es warme kleine Frühlingsrollen mit Sweet-Chili-Soße, ganz köstlich.

Beim Abendessen dürfen wir wählen zwischen Lachs und Lammfilet, dazu gibt es Kohlsalat, Rote Beete und  Kartoffelpüree. Vorneweg gibt es eine Scheibe Kürbis mit Sour-Cream-Graupen, und als Dessert entweder Vanillewindbeutel mit Schokosoße oder Blauschimmelkäse mit Passionsfruchtmus und Kräcker. Verhungern muss hier keiner, und Jugendherbergskost ist das auch nicht, der Koch versteht sein Handwerk.

Nach dem Essen gibt es Infos zu morgen. Der zweite Tag dieser Tour soll die Möglichkeit „to explore“ geben, theoretisch sind mehrere Wanderungen oder Kajakfahrten möglich. Die Wettervorhersage scheint aber eher gegen uns zu sein, für morgen ist ein Tiefdruckgebiet („a low pressure bomb“) mit Regen und Sturmböen angekündigt, und damit ist Kajakfahren zu gefährlich. Die beiden Guides werden morgens und nachmittags je eine circa zweistündige Wanderung leiten, aber man darf auch alleine losziehen. Ob und in welchem Umfang das alles stattfinden wird kann jetzt allerdings noch nicht hundertprozentig festgelegt werden, das wird von der Wetterlage abhängen. Wir lassen das alles auf uns zukommen und fallen erstmal in die Betten.

Am nächsten Morgen gibt es neben Tee und Toast auch noch auf Wunsch warmes Frühstück, und jeder kann sich an einem separaten und reich bestückten Tisch seinen eigenen Piciknick-Lunch zusammenstellen. Das Wetter sieht erstaunlich gut aus, noch scheint die Sonne, und es geht nur ein bisschen Wind. Wir ziehen Wasserschuhe an und machen eine Wanderung übers Watt auf die andere Seite der Bucht, dabei durchqueren wir einige Priele und lernen schlammspritzende Muscheln und flinke kleine Krabben kennen. Auf der anderen Seite dürfen die sportlicheren unter uns ein Stück Steilufer erklimmen um die Reste einer historischen kleinen Kate anzusehen. Danach gehen wir noch ein kleines  Stück den Strand entlang und schlagen dann einen Inlandsweg ein, der uns erstmal steil hoch und dann langsam abfallend wieder Richtung Meadowbank Homestead bringt.

Wir sind nach anderthalb Stunden wieder zurück. Um 2 Uhr wollen wir die nächste Wanderung machen, diesmal umgekehrt: Erst inlandig und zum Schluss am Strand entlang durch die Priele, „but only up to your knees, you know, you won’t need water shoes, just take off your walking shoes and carry them.“ Als wir aufbrechen ist es bereits bedeckt und der Wind hat deutlich aufgefrischt, und im selben Moment als wir Meadowbank Homestead verlassen beginnt es zu regnen. Nicht heftig, aber dauerhaft.

Zunächst geht es einen biestig steilen Hügel empor zu einem Lookout, der uns aber heute nur die Aussicht auf Nebel und Wolkenbänke bietet. Kein Problem für die beiden Guides: „Just use your imagination!“ Auf langsam abfallenden Pfaden geht es durch den Dschungel bergab, nice and easy, bis wir wieder zum Strand kommen. Der ist weg, wir haben nämlich Hochwasser. Alle anderen haben kein Problem weil alle anderen schon in Shorts losgezogen sind, nur ich nicht weils mich in Shorts friert und ich sowieso grade eine Erkältung ausbrüte. Also Schuhe aus, Hose hochkrempeln und los. Und wieder schlägt mein Freund Radio Eriwan zu: Im Prinzip reicht hochkrempeln an dieser Stelle, weil das Wasser nur bis zu den Knien geht. Wenn die Flut allerdings höher ist als berechnet, dann reicht es halt nicht mehr. Mir geht’s dann leider zwischendurch fast bis zu den Hüften, ich wate mit hoch erhobenen Schuhen durch für mich schon recht tiefe Priele und weiche ordentlich durch. Zurück in Meadowbank Homestead bin ich nass und nicht glücklich, warmes Wasser gibt’s nämlich erst in einer halben Stunde. Aber man kann es auch positiv sehen, kaum dass wir wieder drinnen sind geht der Regen nämlich richtig los, waagerecht und mit Sturmböen und allem was dazu gehört. 

Ich gönne mir pünktlich um 16 Uhr eine heiße Dusche und höre bis zum Abendessen, im warme Schichten gehüllt, mein Hörbuch, wobei ich beinahe einnicke und von Pippi zum Abendessen wachgeklopft werden muss.

Es gibt nach einem Gurken-Tomatensalat wahlweise Muscheln oder Hühnchen, hinterher darf man sich entweder auf Käsekuchen oder Käse ohne Kuchen freuen. Danach erfahren wir Näheres zum morgigen Tagesablauf. Das Wetter ist heute abend kurzzeitig besser geworden, aber das ist offenbar nur die Ruhe vor dem Sturm. Rund um uns herum scheint schon eine Schlechtwetterfront eingefallen zu sein, die uns zum Glück erst heute Nacht erreichen soll, und ab morgen früh 8 Uhr soll es dann wieder trocken sein. Eigentlich bin ich für morgen zum kajaken angemeldet, aber nach der nassen Geschichte heute und angesichts von Kratzhals und Schniefnase melde ich mich kurzfristig von den Kajakfahrern ab und bei den Wanderern an. Kein Problem, versichert Michelle. Es wird morgen allerdings wieder ein paar steile Strecken geben, und wir müssen mal wieder durchs Wasser, aber „just up to your knees!“ Kommentar von einem der Wanderer von heute: „Okay, so not up to our hips like today?“ (Der Sprecher hat etwa meine Größe und ist scheinbar auch nasser geworden als geplant.) Nein, angeblich wirklich, wirklich nur bis zu den Knien im Wasser. Nein, wir brauchen keine Wasserschuhe, einfach die Wanderschuhe ausziehen und ein paar Meter in der Hand tragen … Schaumermal.

Die Nacht wird unruhig. Gegen ein Uhr hebt Heulen und Prasselregen an, und so geht es die ganze Nacht durch bis gegen etwa 7 Uhr. Da verzieht sich der Regen, und zusammen mit den ersten Frühstückern kommt auch die Sonne aus den Federn. Wir erzählen uns gegenseitig wie schlecht wir geschlafen haben und greifen dann herzhaft zu, weil wir heute länger unterwegs sein werden. Wir packen wieder unsere Lunchtüten, und danach packen wir auch noch unsere Lodge Luggage Bags, weil es für die anderen im Rahmen ihrer 5-Tage-Wanderung weitergeht nach Torrent Bay, wo sie die nächsten beiden Nächte verbringen werden. Ich habe ja nur drei Tage gebucht und werde heute nachmittag aussteigen um wieder nach Nelson zurückzufahren.

Das Wetter bleibt überraschend schön und stabil, und frohgemut waten wir zunächst durch wirklich nur knöcheltiefe Priele, ziehen dann die Wanderschuhe an und machen uns zunächst auf den Weg nach Onetahuti. Wieder geht es zunächst bergan, aber nach einer Weile kommt man ganz gut in Tritt, und heute wird auch ein gemäßigteres Tempo vorgelegt. Wieder werden wir von den Grillen umschrillt, und hin und wieder piept ein Vogel irgendwo von einem Manukabaum oder einer Nikaupalme herab.

Wir wandern bis Onetahuti. Dort wartet schon Kajaklehrer Scott mit 8 Kajaks und zwei Töpfen heißen Wassers für den Morgentee oder -kaffee.

Nachdem wir uns gemütlich im Sand sitzend gestärkt haben, trennt sich die Gruppe in Kajakfahrer und Wanderer. Die meisten werden mit Scott und Michelle kajaken, und unsere Wandergruppe besteht nur aus 5 Leuten, die von Pippi auf dem Küstenweg nach Bark Bay geführt wird, wo wir wieder mit den Kajakern zusammentreffen und lunchen werden.

Dieser Teil des Weges erweist sich als womöglich noch schöner als die bisherigen Teilstrecken. Es geht wie immer durch den Urwald mit atemberaubenden Ausblicken auf die Küste, aber weiter unten kommen Marschlandschaft, Wasser und Schwingbrücken dazu. Oh the beauty of it all …

Wir erreichen Bark Bay pünktlich zum Lunch um 13 Uhr, die Kajaker sind schon da und haben „ewig auf uns gewartetet“. Wir sitzen wahlweise im Sand in der Sonne oder am Dünenrand im Halbschatten, essen unsere selbstgemachten Lunchbrote, trinken ein Teechen dazu schauen aufs Meer hinaus, und ich muss heute ganz oft erzählen wo mich meine Reise denn noch hinführen wird.

Meine Wandergruppe bringt mich noch die paar hundert Meter bis zur Medlands Beach, wo ich auf mein Schiff warte während die Gruppe nun weiterwandert Richtung Torrent Bay.

Die „Voyager“ kommt auch brav nach Fahrplan und bringt ihre Reisenden im rasenden Tempo (auf dem Oberdeck ist definitiv eine warme Jacke vonnöten, sogar die hartgesottensten Naturburschen greifen hier irgendwann zum im Fahrtwind flatternden Fleecepulli) vorbei an der Kulisse der Abel-Tasman-Küste wieder zurück nach Kaiteriteri.

Und dann ist dieses Abenteuer plötzlich auch schon vorbei. Ich sammle im Office in Kaiteriteri meine Lodge Luggage Bag ein und schaukle im Wilsonsbus zurück nach Nelson.

In meinem Hotel werde ich wieder sehr freundlich begrüßt, und nicht nur das: Ich bekomme ein Zimmer-Upgrade, „the nicest room in the hotel“ wie mir die reizende Dame an der Rezeption versichert, und wow, da haben sie mir zum Abschied wahrhaftig die Maisonette spendiert, mit Eckbalkon und riesigem Whirlpool, und 3 (drei!) Fernsehern: einer am Essplatz, einer beim Sofa und einer im Schlafraum. Schade dass ich das alles nicht gebührend nutzen kann!

Ich lasse alles stehen und liegen und besorge mir als erstes ein paar Hustenbonbons, denn die Erkältung scheint es ernst zu meinen und wandert drohend Richtung Kehlkopf. Dann ist was zu essen fällig. Hat hier jemand italienische Nudeln? Irgendwo? Jawohl, Papa’s Italian Kitchen bietet gutes Essen in schlichter Umgebung. Während ich auf meine Bolognese warte kann ich schnell noch in Christchurch für den Sonntag Abend eine Massage buchen, wetteronline sagt am Sonntag wirds dort regnen, das wäre dann doch der richtige Zeitpunkt für ein bisschen Wellness.

Ich verbringe anschließend eine Stunde damit, die Sachen aus dem Lodge Luggage Bag wieder so in den Koffer einzusortieren dass der anschließend auch noch zugeht – habe ich eigentlich mehr Klamotten als vorher oder ist das Einbildung? Und dann falle ich aufatmend in den Whirlpool und genieße unbegrenzt heißes Wasser.

 

2 Gedanken zu „3 Tage wandern im Abel Tasman National Park

  1. Hallo liebe Elke!
    VIele Grüße aus Bonn und an dieser Stelle mal ein ganz großes Dankeschön für deine tollen, witzigen und einzigartigen Reiseberichte!
    Wenn ich deinen Blog lese, habe ich das Gefühl deine Reise und deine Etappen live mitzuerleben (inkl. mitfiebern, ob es mit den Taxen/PickUp-Services klappt 😉 )

    Liebe Grüße
    Nathalie

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