3 Tage wandern im Abel Tasman National Park

Ich frühstücke im Hotel, es gibt ein wirklich gutes Büffet mit reichlich Auswahl. Praktischerweise darf ich meinen Koffer für die drei Tage, die ich im Nationalpark bin, im Hotel lassen. Gegen viertel nach zehn kommt der Bus von Wilsons, einem renommierten und alteingesessenen Veranstalter von Touren im Abel Tasman Nationalpark. Carl, der Fahrer, stöhnt über den Ersatzbus den er heute fahren muss, der richtige Bus ist in der Inspektion und nun muss er stattdessen dieses alte Relikt aus den Siebzigern nehmen, er rührt in der Gangschaltung wie in einer Gulaschkanone und schimpft weil der die Gänge einfach nicht findet.

Insgesamt sind es dann 17 Leute, die bei bedecktem Himmel in Motueka vor der Wilson-Zentrale aussteigen. Jeder darf eine schon vorher gepackte Lodge Luggage Bag mitnehmen, die wird vorab mit dem Boot zur Lodge gefahren, und jeder nimmt einen Tagesrucksack mit und erhält von Wilsons eine Flasche Wasser, eine Plastiktasse für Tee und eine Lunchtüte. Wiedermal war vorher ein Formular auszufüllen mit Angaben zu den nächsten Angehörigen. Ich muss bei sowas immer an Erich Kästner denken: „Seien wir ehrlich, Leben ist immer lebensgefährlich“. Dann steigen alle wieder in den Bus, und wir werden nach Kaiteriteri gefahren, wo wir gegen viertel vor eins und bei strahlendem Sonnenschein auf die „Voyager“ gehen, ein kleines Passagierboot das die Küste des Parks hinauffährt und dabei in verschiedenen Buchten Passagiere absetzt oder aufnimmt.

Die Küstenlandschaft ist mal wieder wunderschön. Wir umkreisen den Split Apple Rock, kommen an ein paar kleinen Inselchen vorbei und können sogar Seehundwelpen sehen, die sich auf den warmen Felsen wärmen oder Spirenzchen im Wasser machen, das alles aber stets unter Mutters Aufsicht.

Anderthalb Stunden später legt die „Voyager“ in Totaranui an, einem größeren Campingplatz im Norden des Parks. Hier geht unsere Gruppe an Land und wird  von den beiden Guides Pippi und Michelle kurz über den weiteren Ablauf informiert. Jeder schnallt sich seinen Tagesrucksack auf den Rücken, und los gehts mit der ersten Wanderung. Die führt uns erstmal auf einem Buschpfad bergan, und Pippi legt vorneweg ein zügiges Tempo vor, weil wir in zwei Stunden die Fähre zur Lodge kriegen müssen, die dürfen wir nicht verpassen weil danach das Wasser durch die fortschreitende Ebbe zu niedrig für die Fähre sein wird.

Die Wanderung ist von vorne bis hinten zu schön um wahr zu sein.

Wir sind im Dschungel zwischen Nikau-Palmen, Baumfarnen, Manuka- und Kanukabäumen unterwegs, hören von einer Seite das Rauschen der Wellen am Strand, und rund um uns herum veranstalten Grillen, Bellbird und Fantail ein vielstimmiges Konzert. Es weht eine leichte Brise. Wenn man sich nur trauen würde, könnte man sich ständig nach irgendwas umsehen was gerade ganz faszinierend ist, das ist aber leider ziemlich gefährlich weil ein falscher Schritt fatale Folgen haben kann. Der Weg ist stellenweise recht steil, und an manchen Stellen führt er zwischen bewaldetem Abgrund auf der einen und Felswand an der anderen Seite hindurch. Es geht ein paarmal richig steil in Serpentinen hoch, und ich bin wirklich froh als ich hinter mir den ein oder anderen keuchen höre, weil ich mich dann nicht als einzige so konditionslos fühlen muss.

Pippi hält jedoch in Abständen immer wieder an, um etwas über Flora und Fauna zu sagen und um uns Zeit zum Atemholen und Wassernachtanken zu geben. Aber auch beim Bergabgehen gilt es, aufmerksam zu bleiben, weil einen ein Ausrutscher schneller zu Tal befördern kann als einem lieb wäre.

An manchen Stellen läuft ein kristallklares Bächlein neben dem Weg her und sucht sich traulich plätschernd seinen Weg durch ein manchmal flaches, manchmal tief eingefressenes Bett runter zum Meer. An zwei Stellen führt der Wanderweg über Strände, Bilderbuchstrände mit goldgelbem Sand, Muscheln, Treibholzstämmen und plitschenden Wellen. Die Umgebung ist so unglaublich schön und die Umstände so perfekt dass es kaum zu fassen ist dass das alles wirklich echt ist.

Wir erreichen das Delta von Awaroa früh genug. Pippi funkt das Flachbodenboot heran, und alle ziehen Schuhe und Strümpfe aus, krempeln (sofern man nicht ohnehin schon Shorts anhatte) die Hosen hoch und waten durch knietiefes Wasser bis zu der Stelle, an der das Boot auf uns wartet.

Safety first, wieder bekommt jeder erstmal ein Lifejacket, dann wird der Rasenmähermotor angeworfen und wir tuckern über das flache Delta hinüber zur Awaroa Meadowbank Homestead, dem Nachbau der ersten Homestead von 1894.


Die Homestead ist nicht das einzige Gebäude im Deltabereich von Awaroa, aber vielleicht das schönste. Stilmäßig ist sie dem Originalgebäude nachempfunden, ganz aus Holz, hat hübsch bepflanzte Umlagen und ist massiv und geschmackvoll eingerichtet. Wir werden auf die Zimmer verteilt, und ich bekomme den Luxus eines Einzelzimmers. Rustikal aber stilvoll und anheimelnd, mit einfachem aber gut durchdachtem Bad.

Da wir mitten im Nationalpark sind muss mit Wasser und Strom gehaushaltet werden, und jeder wird angehalten seinen Müll bitte wieder mit aus dem Park hinauszunehmen. Man wird gebeten nicht unendlich lange zu duschen und jede Energieverschwendung zu vermeiden. Man darf zwar Ladegeräte anschließen, aber Netzempfang gibts hier nicht. Zwar gibt es sei neuestem WiFi, das vom Project Janszoon gesponsort wird, aber man kann ausschließlich mit PayPal bezahlen, selbst wenn man seine Kreditkartendaten hinterlegt ist das Anlegen eines PayPal-Kontos Pflicht, und weil ich mit PayPal nichts am Hut habe gibt es halt drei Tage lang nun keine Kontakte zur Außenwelt.

Die Verpflegung ist schon beinahe luxuriös. Wasser und Säfte, Tee und Kaffee kann sich jeder nach Belieben nehmen, bezahlen muss man nur Bier, Wein oder Limonaden. Obst steht ebenfalls immer bereit, und vor dem Abendessen gibt es warme kleine Frühlingsrollen mit Sweet-Chili-Soße, ganz köstlich.

Beim Abendessen dürfen wir wählen zwischen Lachs und Lammfilet, dazu gibt es Kohlsalat, Rote Beete und  Kartoffelpüree. Vorneweg gibt es eine Scheibe Kürbis mit Sour-Cream-Graupen, und als Dessert entweder Vanillewindbeutel mit Schokosoße oder Blauschimmelkäse mit Passionsfruchtmus und Kräcker. Verhungern muss hier keiner, und Jugendherbergskost ist das auch nicht, der Koch versteht sein Handwerk.

Nach dem Essen gibt es Infos zu morgen. Der zweite Tag dieser Tour soll die Möglichkeit „to explore“ geben, theoretisch sind mehrere Wanderungen oder Kajakfahrten möglich. Die Wettervorhersage scheint aber eher gegen uns zu sein, für morgen ist ein Tiefdruckgebiet („a low pressure bomb“) mit Regen und Sturmböen angekündigt, und damit ist Kajakfahren zu gefährlich. Die beiden Guides werden morgens und nachmittags je eine circa zweistündige Wanderung leiten, aber man darf auch alleine losziehen. Ob und in welchem Umfang das alles stattfinden wird kann jetzt allerdings noch nicht hundertprozentig festgelegt werden, das wird von der Wetterlage abhängen. Wir lassen das alles auf uns zukommen und fallen erstmal in die Betten.

Am nächsten Morgen gibt es neben Tee und Toast auch noch auf Wunsch warmes Frühstück, und jeder kann sich an einem separaten und reich bestückten Tisch seinen eigenen Piciknick-Lunch zusammenstellen. Das Wetter sieht erstaunlich gut aus, noch scheint die Sonne, und es geht nur ein bisschen Wind. Wir ziehen Wasserschuhe an und machen eine Wanderung übers Watt auf die andere Seite der Bucht, dabei durchqueren wir einige Priele und lernen schlammspritzende Muscheln und flinke kleine Krabben kennen. Auf der anderen Seite dürfen die sportlicheren unter uns ein Stück Steilufer erklimmen um die Reste einer historischen kleinen Kate anzusehen. Danach gehen wir noch ein kleines  Stück den Strand entlang und schlagen dann einen Inlandsweg ein, der uns erstmal steil hoch und dann langsam abfallend wieder Richtung Meadowbank Homestead bringt.

Wir sind nach anderthalb Stunden wieder zurück. Um 2 Uhr wollen wir die nächste Wanderung machen, diesmal umgekehrt: Erst inlandig und zum Schluss am Strand entlang durch die Priele, „but only up to your knees, you know, you won’t need water shoes, just take off your walking shoes and carry them.“ Als wir aufbrechen ist es bereits bedeckt und der Wind hat deutlich aufgefrischt, und im selben Moment als wir Meadowbank Homestead verlassen beginnt es zu regnen. Nicht heftig, aber dauerhaft.

Zunächst geht es einen biestig steilen Hügel empor zu einem Lookout, der uns aber heute nur die Aussicht auf Nebel und Wolkenbänke bietet. Kein Problem für die beiden Guides: „Just use your imagination!“ Auf langsam abfallenden Pfaden geht es durch den Dschungel bergab, nice and easy, bis wir wieder zum Strand kommen. Der ist weg, wir haben nämlich Hochwasser. Alle anderen haben kein Problem weil alle anderen schon in Shorts losgezogen sind, nur ich nicht weils mich in Shorts friert und ich sowieso grade eine Erkältung ausbrüte. Also Schuhe aus, Hose hochkrempeln und los. Und wieder schlägt mein Freund Radio Eriwan zu: Im Prinzip reicht hochkrempeln an dieser Stelle, weil das Wasser nur bis zu den Knien geht. Wenn die Flut allerdings höher ist als berechnet, dann reicht es halt nicht mehr. Mir geht’s dann leider zwischendurch fast bis zu den Hüften, ich wate mit hoch erhobenen Schuhen durch für mich schon recht tiefe Priele und weiche ordentlich durch. Zurück in Meadowbank Homestead bin ich nass und nicht glücklich, warmes Wasser gibt’s nämlich erst in einer halben Stunde. Aber man kann es auch positiv sehen, kaum dass wir wieder drinnen sind geht der Regen nämlich richtig los, waagerecht und mit Sturmböen und allem was dazu gehört. 

Ich gönne mir pünktlich um 16 Uhr eine heiße Dusche und höre bis zum Abendessen, im warme Schichten gehüllt, mein Hörbuch, wobei ich beinahe einnicke und von Pippi zum Abendessen wachgeklopft werden muss.

Es gibt nach einem Gurken-Tomatensalat wahlweise Muscheln oder Hühnchen, hinterher darf man sich entweder auf Käsekuchen oder Käse ohne Kuchen freuen. Danach erfahren wir Näheres zum morgigen Tagesablauf. Das Wetter ist heute abend kurzzeitig besser geworden, aber das ist offenbar nur die Ruhe vor dem Sturm. Rund um uns herum scheint schon eine Schlechtwetterfront eingefallen zu sein, die uns zum Glück erst heute Nacht erreichen soll, und ab morgen früh 8 Uhr soll es dann wieder trocken sein. Eigentlich bin ich für morgen zum kajaken angemeldet, aber nach der nassen Geschichte heute und angesichts von Kratzhals und Schniefnase melde ich mich kurzfristig von den Kajakfahrern ab und bei den Wanderern an. Kein Problem, versichert Michelle. Es wird morgen allerdings wieder ein paar steile Strecken geben, und wir müssen mal wieder durchs Wasser, aber „just up to your knees!“ Kommentar von einem der Wanderer von heute: „Okay, so not up to our hips like today?“ (Der Sprecher hat etwa meine Größe und ist scheinbar auch nasser geworden als geplant.) Nein, angeblich wirklich, wirklich nur bis zu den Knien im Wasser. Nein, wir brauchen keine Wasserschuhe, einfach die Wanderschuhe ausziehen und ein paar Meter in der Hand tragen … Schaumermal.

Die Nacht wird unruhig. Gegen ein Uhr hebt Heulen und Prasselregen an, und so geht es die ganze Nacht durch bis gegen etwa 7 Uhr. Da verzieht sich der Regen, und zusammen mit den ersten Frühstückern kommt auch die Sonne aus den Federn. Wir erzählen uns gegenseitig wie schlecht wir geschlafen haben und greifen dann herzhaft zu, weil wir heute länger unterwegs sein werden. Wir packen wieder unsere Lunchtüten, und danach packen wir auch noch unsere Lodge Luggage Bags, weil es für die anderen im Rahmen ihrer 5-Tage-Wanderung weitergeht nach Torrent Bay, wo sie die nächsten beiden Nächte verbringen werden. Ich habe ja nur drei Tage gebucht und werde heute nachmittag aussteigen um wieder nach Nelson zurückzufahren.

Das Wetter bleibt überraschend schön und stabil, und frohgemut waten wir zunächst durch wirklich nur knöcheltiefe Priele, ziehen dann die Wanderschuhe an und machen uns zunächst auf den Weg nach Onetahuti. Wieder geht es zunächst bergan, aber nach einer Weile kommt man ganz gut in Tritt, und heute wird auch ein gemäßigteres Tempo vorgelegt. Wieder werden wir von den Grillen umschrillt, und hin und wieder piept ein Vogel irgendwo von einem Manukabaum oder einer Nikaupalme herab.

Wir wandern bis Onetahuti. Dort wartet schon Kajaklehrer Scott mit 8 Kajaks und zwei Töpfen heißen Wassers für den Morgentee oder -kaffee.

Nachdem wir uns gemütlich im Sand sitzend gestärkt haben, trennt sich die Gruppe in Kajakfahrer und Wanderer. Die meisten werden mit Scott und Michelle kajaken, und unsere Wandergruppe besteht nur aus 5 Leuten, die von Pippi auf dem Küstenweg nach Bark Bay geführt wird, wo wir wieder mit den Kajakern zusammentreffen und lunchen werden.

Dieser Teil des Weges erweist sich als womöglich noch schöner als die bisherigen Teilstrecken. Es geht wie immer durch den Urwald mit atemberaubenden Ausblicken auf die Küste, aber weiter unten kommen Marschlandschaft, Wasser und Schwingbrücken dazu. Oh the beauty of it all …

Wir erreichen Bark Bay pünktlich zum Lunch um 13 Uhr, die Kajaker sind schon da und haben „ewig auf uns gewartetet“. Wir sitzen wahlweise im Sand in der Sonne oder am Dünenrand im Halbschatten, essen unsere selbstgemachten Lunchbrote, trinken ein Teechen dazu schauen aufs Meer hinaus, und ich muss heute ganz oft erzählen wo mich meine Reise denn noch hinführen wird.

Meine Wandergruppe bringt mich noch die paar hundert Meter bis zur Medlands Beach, wo ich auf mein Schiff warte während die Gruppe nun weiterwandert Richtung Torrent Bay.

Die „Voyager“ kommt auch brav nach Fahrplan und bringt ihre Reisenden im rasenden Tempo (auf dem Oberdeck ist definitiv eine warme Jacke vonnöten, sogar die hartgesottensten Naturburschen greifen hier irgendwann zum im Fahrtwind flatternden Fleecepulli) vorbei an der Kulisse der Abel-Tasman-Küste wieder zurück nach Kaiteriteri.

Und dann ist dieses Abenteuer plötzlich auch schon vorbei. Ich sammle im Office in Kaiteriteri meine Lodge Luggage Bag ein und schaukle im Wilsonsbus zurück nach Nelson.

In meinem Hotel werde ich wieder sehr freundlich begrüßt, und nicht nur das: Ich bekomme ein Zimmer-Upgrade, „the nicest room in the hotel“ wie mir die reizende Dame an der Rezeption versichert, und wow, da haben sie mir zum Abschied wahrhaftig die Maisonette spendiert, mit Eckbalkon und riesigem Whirlpool, und 3 (drei!) Fernsehern: einer am Essplatz, einer beim Sofa und einer im Schlafraum. Schade dass ich das alles nicht gebührend nutzen kann!

Ich lasse alles stehen und liegen und besorge mir als erstes ein paar Hustenbonbons, denn die Erkältung scheint es ernst zu meinen und wandert drohend Richtung Kehlkopf. Dann ist was zu essen fällig. Hat hier jemand italienische Nudeln? Irgendwo? Jawohl, Papa’s Italian Kitchen bietet gutes Essen in schlichter Umgebung. Während ich auf meine Bolognese warte kann ich schnell noch in Christchurch für den Sonntag Abend eine Massage buchen, wetteronline sagt am Sonntag wirds dort regnen, das wäre dann doch der richtige Zeitpunkt für ein bisschen Wellness.

Ich verbringe anschließend eine Stunde damit, die Sachen aus dem Lodge Luggage Bag wieder so in den Koffer einzusortieren dass der anschließend auch noch zugeht – habe ich eigentlich mehr Klamotten als vorher oder ist das Einbildung? Und dann falle ich aufatmend in den Whirlpool und genieße unbegrenzt heißes Wasser.

 

Von Nord nach Süd

Weil es heute morgen schnell gehen muss, frühstücke ich nochmal im Hotel. Ein angemüdeter junger Kellner ist damit beschäftigt, das Frühstücksbüffet aufzubauen. Ich möchte aber kein Büffet sondern das sogenannte Express Breakfast (Tee und Toast), und Toast ist auf dem Büffet nicht zu sehen. Da er nicht hochschaut und mich deswegen auch nicht sieht gehe ich zu ihm hin und sage dass ich gerne Toast möchte. Daraufhin schaut er beinahe mitleidig und sagt „Oh, you’ll be wanting the EXPRESS Breakfast then, right?“ Right, junger Mann, gerne auch jetzt sofort, ich werde nämlich nachher upgepickt. Ich bekomme meinen Toast, und das Hotel hat sich heute selbst übertroffen und 2 Teebeutel in die Kanne gehängt, jetzt schmeckts sogar nach was.

Ich checke aus und werde sehr pünktlich von einem Taxi mit einem hünenhaften Pacific-Island-Fahrer abgeholt, der mich zügig zum Fährterminal bringt. „19 Dollars“ sagt er und zeigt auf die Taxiuhr. Zum wievielten Male erkläre ich das jetzt mit dem account job? Er schüttelt den Kopf: „They said nothing about that.“ Ich wiederhole dass das ein account job ist und die Travel Agency die Kosten trägt. „No account“ sagt er, obwohl er noch nicht mal gefragt hat wie die Agency heißt. Da wir früh genug sind fühle ich mich zum Glück nicht unter Zeitdruck und erkläre gerne zum dritten mal, dass nicht ich das Taxi bezahle sondern die Travel Agency. Er beharrt darauf dass ich bezahlen soll, erst als ich sage dass das bei dem Taxi, das mich vor ein paar Tagen vom Bahnhof zum Hotel gebracht hat, aber durchaus funktioniert hat, schaut er auf sein Display, guckt schnell etwas nach und steigt dann aus, holt meinen Koffer aus dem Kofferraum, stellt ihn mir wortlos hin um danach grußlos davon zu fahren.

Immer dieser Hickhack …

Die Wartehalle der Interislander Ferry ist schon gut gefüllt, aber am Schalter geht’s schnell, ich zeige meinen Voucher, bekomme mein Ticket und muss meinen Koffer einchecken. Nach ein bisschen Wartezeit wird die Fähre geöffnet und ich gehe sofort hoch auf Deck 10, das Freiluft-Oberdeck, denn die Sonne lacht vom Himmel und ich möchte diese Fährfahrt, die laut Reiseführer eine der schönsten der Welt sein soll, nicht von der Innenkabine aus sehen – bzw. von einer der zahlreichen gut ausgestatteten Innenkabinen, denn was ist das für eine Luxusfähre! Mit Kinosaal, Spielplatz, Schnellrestaurant und richtigem Bistro. Ich sitze nun aber erstmal gut draußen in der Sonne und werfe einen letzten Blick auf Wellington.

Wir legen pünktlich ab, und langsam schippert die Fähre weg von Welligton, um eine Landzunge herum und raus aufs offene Meer. Zum Glück haben wir nur wenig Seegang, und selbst auf offener See schaukelt das behäbige Monstrum nur minimal. Für den sportlich aussehenden jungen Menschen, der auf dem Oberdeck neben mir sitzt, scheint das aber genug zu sein, ächzend  beugt er sich vor und steckt mit geschlossenen Augen den Kopf zwischen die Knie, und genau so wird er die knappe Stunde verbringen, die wir auf offener See sind, er richtet sich ein- oder zweimal probeweise auf, sackt aber gleich wieder in sich zusammen.

Erst als wir an der Südinsel ankommen und in den ersten Fjord einfahren, lässt das Schaukeln nach und der arme Mensch wird wieder lebendig. Und nun kommen auch die Leute aufs Oberdeck, die bisher drinnen gesessen haben, und eifriges Fotoapparatklicken hebt allenthalben an.

Zwei Mädels so um die 18 oder 19 Jahre können sich vor Begeisterung kaum halten und unterhalten das ganze Oberdeck in Hochdezibel-Euphorie: „Oh my god! Oh my god, look at the water! The green water! Oh my god, this is SO SO beautiful! New Zealand’s the most beautiful country in the world! Oh my god, I’m on the South Island!“ Neben mir guckt sich ein mittelaltes Ehepaar leicht entnervt an: „Some enthusiasts …“

Gegen halb eins legen wir in Picton an, und während die ersten LKWs von der Rampe rollen dürften die Foot Passengers schonmal zur Gepäckausgabe, die wie am Flughaften über ein Gepäckband läuft. Da merkt man erstmal, wie viele Leute auf so ein Schiff passen, Koffer folgt auf Rucksack folgt auf Duffel Bag folgt auf Koffer, sogar ein Golfbag ist dabei. Es dauert eine geschlagene Viertelstunde bis mein Rollrucksack auftaucht. Glücklicherweise ist die InterCity-Bus-Haltestelle gleich neben dem Baggage Claim.

Die Sonne scheint hier noch ein paar Grad wärmer als in Wellington, einfach weil der Wind längst nicht so stark ist. Im Bus packen erstmal alle ihre Jacken weg, und während der gut zweistündigen Fahrt nach Nelson machen viele ein kleines Nickerchen.

In Nelson wiederholt sich das inzwischen eingespielte Taxi-Szenario: Elke da, Taxi weg. Wieder rufe ich beim Betreiber an, und sofort kommt ein Ersatztaxi das mich die paar hundert Meter zum Hotel fährt. Die hätte ich eigentlich auch gehen können, aber egal, wenn es bestellt ist nehme ich es halt. „Where will you be staying?“ fragt der diesmal wieder sehr freundliche Fahrer. Und als ich mein Hotel nenne, sagt er lobend „That’s a very nice place to stay!“  Und er hat völlig Recht.

Durch Nelson fließt das Flüsschen Maitai (nein, hat nix mit Mai Tai zu tun, und die Enten am Fluss sind auch nicht alle besoffen …), und direkt am Fluss liegt mein Hotel. Und nach dem anonymen mittelprächtigen Wellingtoner Hotel ist das hier eine echte Wohltat. Ich habe ein Zimmer im zweiten Stock mit Balkon zum Fluss hin, mit einem richtigen Badezimmer, hübsch eingerichtet.

Und die Damen an der Rezeption sind ganz reizend und hilfsbereit. Das ist auch nötig, denn es gibt Unstimmigkeiten. „Welcome! So, you’ll be having room XY. You’re staying for four nights?“ Öhhhhmmm … No, I’m not. Ich bin heute Nacht hier, dann bin ich zwei Nächte im Abel Tasman Nationalpark und dann wieder ein Nacht hier, also insgesamt nur zwei Nächte hier im Hotel. Es stellt sich nach Rückfragen heraus, dass die Travel Agency, die in Vertretung für das deutsche Reisebüro hier in NZ für mich zuständig ist, ihrerseits wieder eine Art Subunternehmer genutzt hat um die Buchung vorzunehmen, und irgendwo in der Kette hat sich ein Fehler eingeschlichen. Aber die Damen sind weiter absolut reizend, nein, ich soll mir keine Sorgen machen, sie werden sich kümmern, ich brauche nur für meine beiden genutzten Nächte zu unterschreiben.

Ich sammle das vom Wandertour-Veranstalter bereits hier abgelieferte Lodge Luggage Bag ein (für das Gepäck das man im Park braucht, aber nicht selbst schleppen wird), lasse alles im Zimmer fallen und gehe erstmal ein bisschen einkaufen (Müsliriegel für die nächsten Tage) und dann ein bisschen spazieren. Ist das lauschig hier!

Ich esse im Hotel zu Abend (eher teures Restaurant, aber gutes Essen), höre von meiner Mutter dass meine Katzen wider Erwarten doch erziehbar scheinen (sie hat mit dem Kater geschimpft, und seither mault er abends nicht mehr :-D) und melde mich jetzt vermutlich für die nächsten drei Tage ab. Im Abel Tasman Nationalpark ist die Netzabdeckung eher lückenhaft, ich weiß also nicht ob ich genug Verbindung für den Blog haben werde. Ich werde jetzt mein Übernachtungsbag packen, das wird morgen mit dem Boot zu der Lodge transportiert zu der wir wandern, der Koffer bleibt entweder beim Tourveranstalter oder eventuell auch hier im Hotel. Die Wettervorhersage sagt für morgen nochmal einen Sonnentag voraus, die beiden darauffolgenden Tage sind als „heiter bis wolkig mit Schauern“ bei wetteronline gekennzeichnet, für alle Fälle wird also Regenzeug eingepackt.

Wish me luck!

 

Mixed Welly

Morgens fegt der Wind immer noch ums Haus, und es pladdert ans Fenster. Ich wandere zum Frühstück erneut ins Floriditas, heute etwas später weil Sonntag ist, und nehme nochmal das leckere Körnertoast-Frühstück.

Als ich rauskomme hat der Regen aufgehört, es ist zwar noch windig aber nicht unbedingt kalt. Ich schlendere die Cuba Street wieder hoch und schlage dann den Weg zum Nationalmuseum ein, das am unteren Ende der Waterfront liegt und Te Papa Tongarewa heißt.

Das Museum behandelt Neuseelands Geschichte, angefangen von der Verschiebung der Erdplatten über das Eintreffen der Maori bis in die Neuzeit. Ganz unten geht’s gleich um die Prähistorie und um Neuseelands Erdbeben- und Vulkanausbruchgeschichte. Ist natürlich auch sehr für Kinder ausgelegt, aber nicht nur Kinder können hier in der Quake Hut am eigenen Leib erfahren, wie sich ein Erdbeben anfühlt. Intensiv werden die Erdaktivitäten der Vergangenheit in ihren Auswirkungen auf die Menschen und die Landschaft beschrieben. Alleine in dieser Abteilung kann man schon sehr viel Zeit verbringen.

Eine Etage höher geht es darum, wie das Eintreffen des Menschen die Landschaft der Inseln verändert hat. Man macht sich gar nicht so klar dass das schon mit den ersten polynesischen Besiedlern angefangen hat, auch die haben schon Bäume abgeholzt um Weiden zu schaffen, aber natürlich nicht in dem Maß wie die Europäer ein paar hundert Jahre später. Von einem ursprünglich von Wald bedeckten Gebiet ist nur noch wenig übrig geblieben, die Weidewirtschaft dominiert heute das Landschaftsbild.

Noch eine Etage darüber geht es um die Geschichte der Maori. Im Hauptbereich ist fotografieren aus religiösen Gründen verboten, und ich halte mich brav daran, obwohl überraschend viele Besucher offenbar weder lesen noch Piktogramme deuten können. Man kann aber vor dem Hauptbereich zum Beispiel eins der riesigen Kanus fotografieren, oder den Bereich zum Thema Treaty of Waitangi, dem Vertrag der Stammesanführer mit Queen Victoria der bis heute Gültigkeit besitzt und der alle Bewohner Neuseelands zu britischen Staatsbürgern machte, der vermutlich aber nur aufgrund von Übersetzungsfehlern überhaupt von den Stammesältesten unterzeichnet wurde.

In den Etagen darüber geht es um die Geschichte der Einwanderung nach Neuseeland: Welche Gruppen kamen wann, aus welchem Grund, und wie haben sie sich akklimatisiert? Neuseeland war offenbar schon immer ein typisches Einwanderugsland und hat Europäer, Polynesier und Asiaten angezogen.

Gegen Mittag tun mir die Füße weh. Aber: Siehe da, der Himmel klart auf. Auf dem Weg zu meinem nächsten Termin muss ich den Weg von heute morgen wieder zurück gehen und die Cuba Street bis fast ganz runter laufen, denn dort befindet sich, mühsam ergoogelt, der einzige ausgewiesene Tearoom den ich finden konnte. Er heißt „Martha’s Pantry“ und bietet zu festen Zeiten einen High Tea an. In Wellington findet man Cafés mit reichlich Kaffeespezialitäten an jeder Ecke, Craft Beer dito, aber dafür dass die Kiwis mal zu den weltbesten Teetrinkern gehört haben (bevor ihnen jemand erzählt hat man könne auch Kaffee trinken) gibt es erstaunlich wenig teezentrierte Gastronomie. Ich habe jetzt jedenfalls einen High Tea in Martha’s Pantry gebucht.

Von außen sieht man erstmal nix.

Von der Seite sieht man dann schon ein bisschen mehr.

Und drinnen ist es dann ein Fall von „Ohjehchen.“ Ein plüschrüschiges Puppenhäuschen in Puderrosa, Pastelblau und Zartgelb, mit Stuckleisten an der Decke und niedlichen Strohhüten an der Garderobe, an denen sich die Gäste zwecks Ambienteverschmelzung gerne bedienen können. Es gibt nur eine Handvoll Tischchen mit Shabby-Chic Stühlchen, und obwohl ich weder groß noch ausladend bin passe ich nur mit sehr viel Vorsicht zwischen Stuhl und Tisch, ich fühle mich wie Gulliver im Land der Zwerge. Völlig neues Lebensgefühl.

Man platziert mich unter einem offenbar selbstgemalten Wandbild:

Es gibt richtigen Blatt-Tee im Porzellankännchen mit stilechtem tea cosy, einem selbstgestrickten babyblauen Warmhaltejäckchen, und (es gibt gemischtes Geschirr, und man kann es sich leider nicht aussuchen) babyblaues Porzellan.

Die Etagere enthält unten herzhafte Kleinigkeiten, das übliche Gurkensandwich, ein köstliches Lammragout-Tartelett, etwa so groß wie eine Zwei-Euro-Münze, ein klitzekleines Lachsmousse-Kräckerchen (wird weggelassen), ein Minimini-Clubsandwichlein und ein kleines Feta-Spinat-Omelettchen mit Rote-Beete-Confit, das ganz besonders lecker ist.

Eine Etage höher sind dann die süßen Kleinigkeiten: Zwei kleine Scones-Hälften mit Himbeermarmelade beziehungsweise Passionsfrucht drauf, ein Vanillebisquitkügelchen mit Marzipanrosettchen drauf, ein Zitronentartelettchen mit Baiserhaube und ein Bisquit-Kaffee-Schichttörtchen. Schon alles sehr gut und alles ganz offenbar selbstgemacht, aber auch schon wirklich sehr süß. Zusammen mit dem Zucker im Tee dürfte ich meinen Zuckerbedarf für die nächsten drei Tage innerhalb einer Stunde bereits übererfüllt haben.

Und obwohl alle Teile beinahe lächerlich klein waren, muss ich vor dem Schichttörtchen die Segel streichen. Passt nicht mehr.

Langsam, sehr langsam gehe ich die ganze Cuba Street wieder zurück (nun wieder bei strahlendem Sonnenschein, heute gibts zum Abschluss 3 Jahreszeiten an einem Tag) bis zur I-Site, wo ich für heute eine Stadtrundfahrt gebucht habe. Ich hatte das nach dem geplanten Museumsbesuch für eine gute Idee gehalten, einfach nur in einem gefüllten Bus sitzen, mich umherkutschieren lassen und bloß zuhören müssen. Offenbar habe ich aber ein inniges Verhältnis zu Radio Eriwan. Es ist nämlich die letzte Tour der Stadtrundfahrten für heute, es wird nur ein Kleinbus eingesetzt, und ich bin der einzige Teilnehmer. Damit der Fahrer nicht brüllen muss bittet er mich nach vorne auf den Beifahrersitz, und ich bekomme eine Privattour, was aber auch heisst dass ich nicht nur passiv im Halbschlaf rumhängen kann weil das unhöflich wäre. Höfliche Aufmerksamkeit ist vonnöten, und ich soll gerne Fragen stellen. So wird’s nun zwar nix mit dem Verdauungsschläfchen, aber ich erfahre Hintergrundinfos die mir sonst kaum über den Weg gelaufen wären, nämlich zum Beispiel dass der Lambton Quay, heute eine Haupteinkaufsstraße, auf Land gebaut ist das bei einem Erdbeben aus dem Hafenbecken gehoben wurde, dass das letzte Erdbeben einen Kinoparkplatz komplett zerlegt hat, dass Wellington nur deshalb heute Hauptstadt ist weil Auckland, das den Job als erster hatte, zu weit im Norden lag und die Südinsel schon Anstalten machte selbstständig werden zu wollen, so dass die Verlagerung der Hauptstadt nach Wellington ein Zugeständnis an die Südinsel war (nicht dass München jetzt auf Ideen kommt …). Hier ist der Mount Victoria, und hier ist das berühmte Embassy-Kino, wo die Uraufführung von „The Return of the King“ stattgefunden hat. Und, ach ja, er selber war übrigens Statist in der LOTR-Trilogie. Was, echt? Oh ja, sagt er und zieht ohne den Blick von der Straße zu nehmen aus seinem Rucksack ein laminiertes Blatt mit Bildern hervor, auf denen er als Man of Rohan neben Vigo Mortensen zu sehen ist, er ist abwechselnd Ork, Rohan-Soldat, Minas-Tirith-Soldat und Elf gewesen. Die Monate, die er beim Helm’s Deep-Dreh verbracht hat, waren die anstrengendsten seines Lebens, 3 Monate Nachtdrehs am Stück, immer beregnet von riesigen Regentürmen, „that was stressful“. Er ist groß und dünn, also haben sie ihn in Elfenkleidung gesteckt, alles Naturmaterialien, die sich bei Regen so richtig schön vollsaugen.

Weil er mir einen Gefallen tun möchte halten wir am Beehive an, und erst bei dieser Gelegenheit erfahre ich, dass das Gebäude neben dem alten Parlamentsgebäude, das sich so von diesen abhebt dass ich es für mindestens ein Kloster gehalten hatte, absolut keinen geistlichen Inhalt hat sondern die Parlamentsbibliothek beherbergt.

Nach anderthalb Stunden werde ich am Te Papa Museum wieder abgesetzt, Feierabend. Ich spaziere noch ein bisschen ums Museum herum und dann langsam wieder Richtung Waterfront. Hunger macht sich bemerkbar, jetzt muss es aber dringend was Herzhaftes sein. Wonach wär mir denn? Ach, da war doch der Laden mit der Steinofenpizza, den ich mir schonmal ausgekuckt hatte, wo war der noch gleich? Ach ja, Cuba Street …

Meine Füße laufen inzwischen schon von alleine die Cuba Street herunter. Unten, ganz unten, ist die kleine Pizzeria „Heaven“, wo es in der Tat eine himmlische Pizza gibt, knusperdünner Boden und Zutaten nach Wunsch, köstlich.

Meine letzte Amtshandlung für heute ist die Vorverlegung des Pickup-Taxis für morgen. Die Fähre zur Südinsel geht um 9, der Pickup ist vom Reisebüro auf 8 Uhr gelegt worden. Einchecken muss ich aber spätestens 45 Minuten vor Ablegen, lese ich heute im Internet. 15 Minuten vom Hotel zum Anleger? Montags morgens? Im Berufsverkehr?? Nee, da will lieber auf Nummer sicher gehen, 7.30 Uhr wär mir lieber, also rufe ich auf eigene Faust beim Taxiunternehmen und erkläre die Situation. „No problem“ wird mir versichert.

Na dann hoffen wir mal das beste.

Wellywood

Die befürchtete Badezimmerüberschwemmung ist nicht eingetreten – allerdings nur, weil der Wasserdruck so niedrig ist dass man quasi jedes Haar einzeln waschen muss. Es rieselt unlustig am Duschkopf herunter. So macht Duschen nicht wirklich Spaß und dauert deshalb nur so lange wie unbedingt nötig. Unterstellen wir dem Hotel mal Umweltbewusstsein statt Sparsamkeit oder technischem Problem.

Zum Frühstück gehe ich dann in die Cuba Street und schaue dort nach geöffneten Cafés die nicht nur warmes, sondern auch Toast-Frühstück anbieten. Ich lande im „Floriditas“, einem coolen Laden der französische Chansons spielt und eine einladende Gebäcktheke hat. Nun, liebes Hotel, DAS ist ein Frühstück:

Richtiger Blatt-Tee, selbstgebackenes Körner-Toastbrot (!) und selbstgemachte Himbeermarmelade. Lecker und sättigend.

Ich nehme den Bus Nummer 2 zur Halbinsel Miramar – Wellington hat ein gut ausgebautes und relativ gut dokumentiertes Nahverkehrssystem. Die Fahrt geht durch Vorstädte mit viktorianischen Holzhäusern

und durch einen niedrigen einspurigen Tunnel, der vom Anfang des 20. Jahrhunderts stammt und der vermutlich auf Zeit und Ewigkeit verhindern wird, dass in Wellington Doppeldeckerbusse eingeführt werden.

In Miramar befindet sich das Herz der Wellingtoner Filmindustrie: Die Stone Street Studios, Weta Workshop, und Park Road Post Production. Studios und Post Production sind nicht zugänglich, Park Road Post kann ich aber immerhin von außen ansehen.

Nun aber habe ich ein Date mit dem Weta Workshop, nämlich eine Window-to-the-Workshop-Tour, Startpunkt ist die Weta Cave.

Zunächst muss man an einem Troll vorbei:

dann gehts zur Touranmeldung mit angegliedertem Shop:

Ich bin diesmal mit Absicht früh gekommen, weil ich mir in Ruhe den Shop ansehen möchte. Dort ist Fotografieren erlaubt, das ist schön, denn es gibt unglaublich viel zu sehen. Direkt neben der Anmeldetheke steht die Originalrüstung von King Theoden:

Daneben ein paar Orcmasken, ebenfalls Originale:

Gollum darf natürlich auch nicht fehlen.

Weta hat sich übrigens nach einer Riesengrille benannt, die in Neuseeland heimisch ist und die eben Weta heißt:

Beim Dreh von LOTR ist eine echte Weta mal Peter Jackson aufs Bein gehüpft, und der große Meister, der so gerne Horror-Splatter-Filme dreht und am liebsten eimerweise Kunstblut und Totenschädel einsetzt, wusste sich vor Schreck und Abscheu gar nicht zu lassen, ich glaube ein mutiger Mitarbeiter musste das Krabbeltier entfernen.

Der Shop selbst ist natürlich eine Fundgrube für LOTR- und Hobbit-Fans. Man könnte ein mittelgroßes Vermögen loswerden, wenn man zum Beispiel Miniaturen sammelt oder Nachbaue der Waffen. Aber es gibt auch viel für den schmaleren Geldbeutel.

Ich könnte mir problemlos eine dicke Tasche voll Sachen kaufen, leider ist im Koffer nicht mehr so viel Platz, also bleibt es bei neuen Büroteetasse, die ich hoffentlich heil nach Hause bekomme.

Bei soviel Sachen zum Ankucken verpasse ich fast meine Tour. Auf der Tour ist fotografieren strengstens verboten, ich kann also leider keine einzige von den tollen Sachen aufnehmen die wir zu sehen bekommen. Haufenweise Originalrequisiten aus LOTR, dem Hobbit und diversen anderen Filmen, für die Weta alles mögliche geliefert haben, von Requisiten über Masken und Kostüme bis zu Perücken und Design. Hier steht Saurons Rüstung, da hängen Pfeile am Pfeiler, in dieser Vitrine stehen Helme und Kleidung der Elfen des ersten Zeitalters, hier ist ein Hobbitfuß zu sehen und dort der Kopf des Balrog … Wenn man doch nur Fotos machen könnte! Dann würde ich heute die 200er Marke sicher wieder sprengen.

Die Tour wird geleitet von einem sogenannten Weta-Baby, ein junger Mensch Anfang zwanzig, dessen Eltern schon im Weta Workshop gearbeitet haben und der bereits im zarten Alter von 13 ebenfalls zur Workshop-Crew gestoßen ist. Er gibt einen guten Blick hinter die Kulissen der Arbeit im Workshop und erzählt von der Herstellung der Gesichtsnachbildungen der Schauspieler, die als Grundlage für Dummies und Gesichtsprosthetik dienen, von der Herstellung von Kunstblut mittels Wasser, Farbe und Kaffee, und täuschend echten Kettenhemden die aus Scheiben von Druckluftschläuchen und einer geheimen Geheimzutat bestehen, die Weta patentiert hat.

Die Tour soll planmäßig eine Dreiviertelstunde dauern, wir überziehen ein bisschen, müssen dann aber doch gehen weil hinter uns schon die nächste Tourgruppe anrückt. Ich schaue mir noch die kostenlose Doku im hauseigenen Mini-Kino an, in der die Enstehung von Weta und die Entwicklung und Errungenschaften der vergangenen etwa zwanzig Jahre geschildert wird. Ist schon beeindruckend, wie klein die angefangen haben und was sie alles erreicht haben.

Gegen halb eins fahre ich wieder mit dem Bus zurück Richtung Stadt, entscheide mich aber spontan, kurz hinter dem Bustunnel aus- und den Berg hinauf zum Mount Victoria Lookout zu steigen, von wo man die beste Aussicht über die Stadt haben soll. Außerdem geht der Weg durch einen Wald wo in LOTR die Szene spielt, in der die schwarzen Reiter erstmals auf die Hobbitgruppe treffen. Auch hier wird klar, warum sich P. Jackson für diesen Ort entschieden hat. Der Wald ist voll riesiger knorriger Bäume, und weil sich der Himmel inzwischen bewölkt hat und ein steifer Wind weht, wirkt der Wald durchaus unheimlich.

Der Weg wird ziemlich steil, ich komme richtig ins Schwitzen, auf den letzten Metern muss ich klettern wie eine Bergziege. Oben angekommen muss ich dann noch einen Hügel erklimmen, und da ist sie dann, die Aussicht. Nur halt ein bisschen bewölkt.

Jetzt wirds hier richtig kalt, es zieht wie Hechtsuppe. Schnell zur Bushaltestelle, die es hier oben zum Glück gibt.

Und wieder schlägt Radio Eriwan zu: Im Prinzip ja. Nur nicht am Wochenende, da fährt hier kein Bus. Die Straße entlang zu gehen empfiehlt sich nicht, da gibts keinen Bürgersteig. Muss ich wirklich den ganzen Waldweg zurück gehen …? Es hilft nix. Zum Glück hab ich heute morgen die Regenjacke und ein Halstuch eingepackt, sonst würde ich mir bei dem Wind hunderprozentig eine Erkältung einfangen, weil ich immernoch ziemlich verschwitzt bin. Also tüte ich mich ein und gehe den ganzen Waldweg wieder zurück. Ganz schön einsam hier … Immerhin geht runter schneller als rauf. Ich kann den Wald schließlich verlassen, gehe auf der Suche nach einer Bushaltestelle eine Straße runter und finde mich völlig überraschend am Courtenay Place wieder, genau vor dem Embassy Cinema, dem berühmten Uraufführungs-Kino von „The Lord of the Ring: The Return of the King“ und „The Hobbit: An Unexpected Journey“. Und weil es jetzt auch noch anfängt zu regnen und ich für heute keine weiteren Pläne habe, gehe ich rein und löse eine Karte für „Rogue One“.

Das Embassy ist ein altes Schätzchen, richtig schön gestaltet. Ich gehe in den ersten Stock um was zu essen. Sieht gar nicht aus wie ein Kino da oben, mehr wie bei Harrods im Restaurant.

Sogar der Waschraum ist nobel.

Der Film ist dann auch gar so schlecht, kein Geniestreich aber eine ganz nette Idee.

Als ich aus dem Kino komme hat es sich vollends eingeregnet. Das wäre heute Abend mal eine gute Gelegenheit, die Wäsche zu machen, zumal heute Urlaubs-Halbzeit ist. Ich nutze also die Guest Laundry, die zum Glück auf meinem Stockwerk ist. Und weil ich auch noch was zu Abend essen muss, gönne ich mir den Luxus des Zimmerservice und bestelle einen Teller Potato Wedges. Da kann auch das Hotel nichts falsch machen, die sind ganz in Ordnung, aber von der Portionsgröße her offenbar für eine Kompanie gedacht.

Draußen heult der Wind um die Ecken und schmeißt mit vollen Händen Regen gegen die Scheiben. Kann mir jetzt egal sein, und auch für morgen habe ich ein ziemlich wetterunabhängiges Programm. Kulturtag.

 

 

 

Sunny Welly

Korrektur zu gestern: Das Hotel hat doch noch einen Pluspunkt. Die Betten. Ich hab wirklich sehr gut geschlafen, was mich dem antiquierten Badezimmer gegenüber doch etwas gnädiger stimmt.

Ich mache die Augen auf und sehe die Sonne durch die Vorhänge spinxen. Sehr schön, so soll das sein. Unten in der Lounge probiere ich das Hotelfrühstück aus. Och ja, kann man essen, muss man aber nicht. Für morgen sollte ich mir vielleicht mal auswärts was zum Frühstücken suchen.

Für Wellington hatte ich mir zuhause schon einen handlichen kleinen Stadtführer gekauft, und der empfiehlt, einen Stadtrundgang mit der Cuba Street zu beginnen, einer kleinen alternativen Einkaufsstraße die, wie ich dann merke, gleich um die Ecke vom Hotel aus gesehen beginnt. Und wie praktisch: Ganz vorne gibt es einen Optiker. Nachdem die Sonnenbrille ja unauffindbar geblieben ist, sollte ich mir vor der Wandertour auf der Südinsel doch irgendeinen Ersatz besorgen. Ich frage die Optikerin nach Clip-Ons. „Well, we have only got one type left“ sagt sie und zieht ein Clip-On aus dem Drehständer, das wunderbarerweise auf mein Gestell draufpasst, gewinnt keinen Preis für das beste Design aber es erfüllt seinen Zweck. Der Tag fängt doch richtig gut an. Danach wandere ich Richtung Courtenay Place, um die Tripod-Statue zu sehen, die das Weta-Workshop-Team im Auftrag der Stadt Wellington als Würdigung für Wellingtons Filmindustrie geschaffen hat.

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Als nächstes mache ich mich zur Talstation der Cable Car auf.

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Mit dieser Standseilbahn fährt man in ein paar Minuten aus der Stadt hoch nach Kelburn und überwindet dabei auf einer Strecke von etwa 900 Metern knapp 120 Meter Höhenunterschied. Eine der Bedingungen beim Bau war, dass keine Straße beeinträchtigt werden durfte, also führt die Bahn durch Tunnel und über Viadukte. Bei den Tunneln haben sie sich was nettes einfallen lassen, um Klaustrophobiker abzulenken: welchselfarbig leuchtende LED-Bänder. Neben mir quietschen ein paar Kleinkinder begeistert auf und rufen „We’re in a time machine!“

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Oben angekommen gibts wunderbare Aussichten auf die Stadt da unten.

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Eigentlich ist die Bezeichnung „Botanischer Garten“ ein bisschen irreführend. Es ist mehr ein botanischer Park mit Gartenelementen, aber was für ein schöner Park!

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Das ist übrigens ein Pohutukawa Tree, auch New Zealand Christmastree genannt, weil er immer um die Weihnachtszeit diese schönen roten Blüten hat:

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Ach, es gibt so viel zu sehen, viel mehr als ich im Blog unterbringen kann. (Die heute geschossenen Fotos haben erstmals die 200er Marke geknackt :-D)

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Der Weg führt auf der anderen Seite des Berges herunter Richtung Café Picnic, direkt neben dem Lady Norwood Rosegarden. Nach einer kleinen aber köstlichen Portion Shoestring Fries mit Aioli kann man sich (fotografisch) im Rosengarten austoben.

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Und Kunst gibts auch noch:

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Gut gestärkt gehe ich langsam wieder rauf zur Bergstation der Cable Car.

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Am frühen Nachmittag bin ich wieder in der Stadt. Das Wetter wäre zu schade für Shopping, obwohl man das hier gut machen könnte. Ich blättere im Stadtführer und entscheide mich für ein bisschen Sightseeing. Der Weg zu meinem ersten Ziel führt mich an der Waterfront vorbei, wo ich gestern ein paar Bilder gemacht hatte. Und so sieht es da bei schönem Wetter aus:

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Zunächst schaue ich mir das neuseeländische Parlamentsgebäude an, Beehive genannt, mit den alten Parlamentsgebäuden gleich daneben.

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Dort treffe ich auf ein deutsches Ehepaar, das ich schon in Orakei Korako getroffen hatte. Die beiden sind Rentner und verbringen 3 Monate auf Reisen, die Glücklichen, allerdings bleiben sie immer nur 1 oder höchstens 2 Nächte an einem Ort, deshalb sind sie ein bisschen im Stress. Sie wollen jetzt gleich und möglichst schnell zur Kirche Old St. Paul’s, was auch mein nächstes Ziel ist. Auf der nächsten Straßenecke muss ich die beiden jedoch spontan verlassen, da steht nämlich plötzlich und unerwartet das hier:

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Und das ist der Wellingtoner Zweig der Neuseeländischen Nationalbibliothek.

Haben die auf? Die haben auf. Dann könnte ich ja mal reingehen. Nur mal kucken.

Aus Nur Mal Kucken wird eine Stunde Aufenthalt. Ich schließe meinen Rucksack ein und stelle fest: Die haben ein ganz geniales Schließfachsystem. Jedes Fach hat vorne eine magnetische Tastatur dran, man muss keine Münze reinwerfen sondern verschließt das Fach völlig kostenlos und ohne nach Kleingeld zu kramen mit einer vierstelligen Zahlenkombi die man sich selbst aussucht, damit wird das Fach dann verriegelt, und man nimmt die Tastatur ab und nimmt sie mit. So einfach kann das sein. Im ersten Stock ist der Alexander Turnbull Reading Room, und davor sitzt eine nette Dame an der Info die mich gleich fragt ob ich was bestimmtes suche. Ich sage dass ich ein librarian from Germany bin, und sofort werde ich einkassiert und informiert. Es läuft vieles wie zuhause, manches ist ganz anders und alles ist sehr interessant. Das Gebäude ist vor ein paar Jahren renoviert worden (kennen wir ja), die Benutzer konnten nicht mehr selbst ins Magazin (kennen wir ja auch noch), die Verwaltung durfte aber ins Neuseeländische Archiv einziehen, nur ein paar Schritte entfernt (hier regt sich Neid bei mir). Die Erdbebenerfahrung ist uns ja weitestgehend erspart geblieben, hier sind immernoch Magazinteile gesperrt weil sie noch zu unsicher sind, es dürfen nur zwei Kollegen gelegentlich rein, und die mussten allen möglichen Schriftkram unterzeichnen der offenbar so ähnlich aussieht wie meine Anmeldung zur Canopy Tour. Neidvoll hört widerum die neuseeländische Bibliothekarin von den Verbotsschildern in deutschen Landen, womit zum Beispiel essen im Benutzungsbereich verboten wird. Sie sagt der derzeitige Direktor hats nicht so mit Verboten und sieht das eher lässig, was sofort dazu führt dass die Leute sich Pizza mit in die Bibliothek bringen, und die Bibliothekarinnen müssen hilflos zusehen weil ja nirgendwo steht dass es verboten ist.

Ich drehe eine Runde durch den normalen Reading Room (der Alexander Turnbull Reading Room ist sowas wie ein Handschriftenlesesaal, da darf man nur nach Anmeldung rein), surfe kurz durch den OPAC (powered by Aleph-Primo :-)), blättere nostalgisch in den uralten Zettelkatalogen in uralten Katalogkästen, mit denen die Sondersammlungen wie Musik und Fotografien erschlossen sind, und mache mich dann wieder an mein Sightseeing-Programm. Nächster Punkt: Old St. Paul’s Church.

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Old St. Paul’s ist die erste neugotische Kirche die komplett aus Holz errichtet wurde, geweiht 1866. Hundert Jahre später baute die Diözese eine neue, größere und moderne Kathedrale und wollte Old St. Paul’s abreißen. Allgemeiner Aufschrei! Öffentliche Proteste hatten zur Folge, dass die Regierung die Kirche kaufte und seither instandhält.

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Mehr Kultur geht heute nicht. Ich gehe gemütlich wieder zur Waterfront, erst ein bisschen was schauen

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und dann ein bisschen was essen. Es gibt zahlreiche stylische Bistros, aber mir ist jetzt nach richtigen italienischen Nudeln, ich setze mich also ins „Portofino“ und bekomme sehr leckere Penne all’arrabbiata. Hupps, sind die scharf! Aber lecker, kein Vergleich mit dem armseligen Ich-tu-mal-so-als-wär-ich-ein-Caesarsalat von gestern.

So, Schluss für heute. Ich werde jetzt die Beine hochlegen und mich auf morgen freuen. Morgen geh ich nämlich kucken wie Movie Magic gemacht wird.

 

 

 

Windy Welly

Ich verlasse das sonnige Taupo nur ungern, zumindest würde ich das Wetter gerne mitnehmen, aber wetteronline sagt das geht nicht.

Taxi ist pünktlich, Bus ist pünktlich da, kommt aber nicht pünktlich weg. Mittagspause machen wir irgendwo auf dem platten Land im Flat Hills Cafe.

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Später zieht sich der Himmel zu, und es fängt an zu regnen. Als wir nach insgesamt 6 Stunden das Wellingtoner Stadtgebiet erreichen, haben wir schon eine halbe Stunde Verspätung, und wir landen mitten im Berufsverkehr. In Wellington Central laufen wir schließlich mit einer Dreiviertelstunde Verspätung ein, und ich mache mir keine Illusionen was das Taxi angeht.

Als wir aussteigen hat es zum Glück aufgehört zu regnen, aber Windy Welly macht seinem Spitznamen alle Ehre: Es ist so windig dass einem fast die Haare vom Kopf fliegen. Ich steuere auf das nächstbeste Taxi der zuständigen Taxifirma zu und erkläre die Situation, der Fahrer funkt seinen Kollegen herbei, dem ich dann (inzwischen kann ich das recht flüsssig) zum ich-weiß-nicht-wievielten Mal erkläre dass ich die Fahrt nicht bezahle weil das ein Account Job ist und weil das Reisebüro die Abrechnung übernimmt.

Das Hotel ist eines der typischen gesichtslosen Innenstadthotels, aber wirklich sehr günstig gelegen: Waterfront, I-Site und das Te Papa Museum sind in wenigen Minuten erreicht. Geschäfte ebenso, zum Beispiel der Elektronikmarkt, den ich kurz vor Ladenschluss noch erreiche und wo ich einen neuen USB-Stick plus Kabel zur Sicherung meiner Fotos erstehe. Danach drehe ich noch eine kurze Runde um den Block um mich zu orientieren.

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Anschließend esse ich im hoteleigenen Restaurant einen Caesarsalat, der eher enttäuschend ausfällt, sowas hab ich in billigeren Restaurants schon besser gegessen. Überhaupt ist das Hotel soso-lala, das Zimmer sieht ganz in Ordnung aus, aber das Bad ist ein bisschen schlicht: ebenerdige Dusche mit Duschvorhang, da ist die Überschwemmung doch vorprogrammiert – da hatte ja selbst das Motel im Provinzkaff Taumarunui ein besseres Bad. Außerdem sind die Wände aus Papier, ich glaube heute Nacht ist Ohropax angesagt.

Immerhin klappt das Überspielen der Fotos, aber beim Blogschreiben gibts plötzlich Probleme, weil ich angeblich keine Berechtigung habe – wahrscheinlich hat sich das Programm verschluckt weil ich heute vom Smartie und vom Tablet aus zugegriffen habe, und da hat es den zweiten Zugriff dann für illegal gehalten. Nu gehts aber wieder.

Und morgen werde ich mir dann mal Wellington ansehen, und wenn wetteronline Recht behält, könnte das eine sonnigere Stadtbesichtigung werden als heute.

Thermalsafari

Hab richtig gut geschlafen, das Bett hier ist wieder richtig schön bequem. Ich ziehe die Vorhänge auf, und da ist ja noch, das Wetter von gestern. Schön dass es gleich hier geblieben ist!

Ich stehe um viertel nach 9 für den Pickup von NZ Riverjet bereit, bei denen ich (mit viel Glück, wie ich gleich von Tony erfahren werde) einen Platz in der Ultimate Thermal Safari buchen konnte. Der Start ist 35 Kilometer von Taupo entfernt, aber die Veranstalter legen Wert auf die „Ultimate Experience“, und dazu gehört, dass die Pickup-Tour genutzt wird um dem Touri auch noch ein bisschen was anderes zu zeigen. In meinem Fall heisst das, dass ich eine anderthalbstündige Privattour mit Tony bekomme, der mich zunächst zu einem Lookout hoch über Taupo bringt und mir dort etwas zur Entstehung von Lake Taupo erzählt: Lake Taupo war mal der weltgrößte Vulkan, der dann vor 26.000 Jahren auch den weltgrößten Ausbruch hatte, und durch den Einbruch der Magmakammer entstand eine Caldera (Senke) von 140 Quadratkilometern. Muss das ein Vulkanmonster gewesen sein!

Danach fährt er mich zu den Huka Falls, die ich ja gester vom Fluss aus gesehen habe. Heute sehe ich sie von der Besucherplattform aus:

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Danach geht’s weiter zu den Aratiatia Rapids. Die gibt’s sozusagen nur 4 mal am Tag, nämlich immer dann wenn der Damm geöffnet wird, wodurch sich ein harmloses Bächlein mehrmals täglich in eine höchst gefährliche Zone verwandelt:

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Hier sind übrigens ein paar Szenen für den zweiten Hobbit-Film gedreht worden: In „The Desolation of Smaug“ fliehen die Zwerge in Fässern aus dem Kerker des Elbenkönigs, und Sir Peter und seine Filmcrew haben zwei Tage lang leere Fässer über die Aratiatia Falls geschickt und gefilmt – allerdings ohne Schauspieler oder Stuntcrew drin, das wäre lebensgefährlich gewesen. Da hat CGI dann nachgeholfen 😉

Tony begleitet alles was wir sehen mit Hintergrundinfos, und die Fahrzeit bis zum Jetboat-Anleger von NZ Riverjet vergeht schnell. Dort angekommen bekommt jeder Teilnehmer das vorgeschriebene Lifejacket, dann werden wir in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Gruppe im ersten Jetboat fährt zu „The Squeeze“, einer Thermalquelle in einer Felsengrotte zu der man sich durch eng stehende Felsen hindurchquetschen muss, und wir paar älteren Semester machen die Thermal Safari zu Orakei Korako, einem abgelegenen Geothermalgebiet das als eines der schönsten Neuseelands gilt. Ich hatte das in Rotorua schon im Auge, konnte es aber nicht mehr unterbringen.

Die Fahrzeit mit dem Jetboat vom Anleger bis zu Orakei Korako beträgt etwa eine Stunde. Wir fahren „normales“ Jetboat-Tempo, ohne Spins oder Kunststückchen, können die spannende Uferlandschaft in Ruhe genießen und halten zwischendurch immer mal wieder an, und unser Skipper Adam erzählt uns was zum Waikato River und zu der Landschaft und ihrer Besiedelung. Die Flußlandschaft ist einfach wunderschön, man könnte stundenlang einfach nur schauen und genießen.

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Gegen 12 erreichen wir Orakei Korako. Wir legen am Visitor Centre an, bekommen eine Eintrittskarte ausgehändigt (ist im Safari-Preis mit drin) und müssen dann mit einer Mini-Fähre vom Visitor Centre hinüber ans andere Ufer, wo man es schon dampfen sieht.

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Ganz unten, gleich nachdem man dort an Land gegangen ist, sind die bunten Silikatterrassen.

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Man wird auf Bretterwegen durch das Gebiet geleitet. Abweichen von den Pfaden ist streng verboten und wird von Mutter Natur je nach Laune durchaus mit sofortigem Tod bestraft.

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Orakei Korako ist nicht besonders groß, Waimangu ist zum Beispiel viel ausgedehnter, aber das Gebiet ist überraschend vielfältig.

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Wir haben leider nur eine Stunde Zeit, bis Adam uns wieder einsammelt. Auf dem Rückweg lässt er den Pferdestärken jetzt aber mal so richtig freien Lauf, und in rasender Geschwindigkeit und mit diversen Spins zwischendurch geht es zurück zum Anleger, und eins von den Mädels aus dem Büro bringt mich zurück nach Taupo.

War super, ich bin wirklich froh dass ich Orakei Korako auch noch sehen konnte.

Nach einem schnellen und späten Mittagessen mache ich einen kurzen Abstecher ins Hotel, packe meine Badesachen und wandere am Seeufer entlang zu Taupo DeBretts, einem anderen Thermalbad. Auf Google Maps siehts aus als wäre es quasi um die Ecke. Vielleicht hätte ich doch die Funktion nutzen sollen mit der man sich die Wegstrecke und die voraussichtliche Gehzeit anzeigen lassen kann, es sind nämlich über drei Kilometer für eine Strecke und ich brauche über eine Dreiviertelstunde – am Schluss geht’s berghoch, und ich bin ziemlich verschwitzt als ich ankomme.

Dieses Bad ist auf Familien zugeschnitten, zwar auch mit viel Grün drumrum aber eben nicht so ruhig wie Wairakei. Trotzdem ganz nett, und genau so heiß.

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Mehr als zweimal 20 Minuten mit Landgang zwischendrin gehen einfach nicht, die Hitze macht einen doch recht schlapp. Immerhin trocknet der Badeanzug quasi in Sekundenschnelle.

Gestärkt mit einem halben Liter Wasser und einem Eis am Stil gehe ich gemütlich den Weg zurück, immer am See lang wo eine frische Brise weht und viele Campervans am Rand stehen, deren Fahrer in den Wellen herumhüpfen.

Es gibt ein Mini-Salat-Abendessen, und dann überspiele ich wie jeden Abend die Fotos vom Smartie auf den USB-Stick und von dort auf das Tablet. Leider verabschiedet sich heute der USB-Stick, obwohl er noch längst nicht voll ist. Das macht das Blogschreiben heute ein bisschen umständlich. Gut dass ich morgen nach Wellington fahre, da wird sich ja hoffentlich Ersatz finden. Vielleicht wäre ein Kabel doch besser?

Schon wieder alles zusammenpacken … Die Zeit vergeht hier rasend schnell. Ich kann gar nicht glauben dass ich vorgestern noch in Hamilton war, es kommt mir vor als wäre das schon Wochen her.

Windy Welly, here I come!

 

Wasser con variazioni

Das Geräusch das mich weckt kenn ich doch? Das ist doch Regen? Mach nix, ich reise heute ja eh weiter.

Ich stehe für das Pickup-Taxi wiedermal zu früh an der Straße. Zum Glück, denn das Taxi ist früh dran und fährt erstmal vorbei. Ich winke, und der Fahrer rudert zurück und meint entschuldigend, dass die Motor Inns doch alle gleich hießen: Bellavista, Ballinor … er hätte halt nicht mehr genau gewusst … Ist egal, er ist pünktlich an der InterCity-Haltestelle.

Während der Fahrt hört es auf zu regnen, und je näher wir Taupo kommen desto mehr heitert es auf. Nach einem kurzen Essensstopp sind wir um 12.40 in Taupo (planmäßig wäre 12.25 gewesen, und für die Zeit war auch das Pickup-Taxi bestellt). Ich steige aus und bin im Hochsommer, 28 Grad und Meeresbrise.

Kein Pickup-Taxi – war ja klar. Eine I-Site-Mitarbeiterin hilft mir das Taxi wieder herzuholen, und schnell bin ich im Hotel.

Wow. Direkt am Lake Taupo.

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Schnell den Koffer ins Zimmer bringen – schon wiedere zwei Räume, wow – und sofort raus aus Jeans und Wanderschuhen und rein in Trekkinghose und Sandalen. Meine Güte ist das warm! In der Sonne kann man’s fast nicht aushalten. Und dann am See entlang (wow, was für eine Aussicht!)

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wieder zurück zur I-Site, wo ich um kurz nach zwei gepickupt werde. Wenige Minuten später lädt der Kleinbus ein Ehepaar und mich an der Haltestelle des Huka Falls Jet aus. Der Rucksack muss im Office bleiben, es geht ein paar Schritte weiter zum Flußufer des Waikato River, wo die Jetboats anlegen.

Der Waikato ist Neuseelands längster Fluss, er fließt durch den Lake Taupo hindurch, und kurz hinter der Stadt Taupo sind die Huka Falls. Der Wasserfall ist ein Touristenmagnet, am besten kann man ihn vom Wasser aus sehen. Und am allerschärfsten ist es natürlich wenn man dazu ein Jetboat benutzt, ein Hochgeschwindigkeitsboot das von einem Neuseeländer erfunden wurde und in NZ gerne eingesetzt wird.

Der Waikato fließt kurvenreich durch wilde Uferlandschaft,

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bietet sich für wilde Jetboatfahrten also geradezu an. Jeder bekommt ein Lifejacket, dann steigen etwa 20 Mutige in ein Jetboat und ab geht die Post!

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Mit durchschnittlichen Tempo 100 bis 130 rast das Jetboat mit Steve am Steuer den Waikato entlang, immer wieder scharf an Felsen und Bäumen vorbei und immer wieder mit wilden 360-Grad-Drehungen, bei denen ordentlich geschrien und gejuchzt wird, und es spritzt heftig, bei der Hitze eine willkommene Abkühlung.

Total zerzaust und atemlos kommen wir bei den Huka Falls an.

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Im vom Wasserfall aufgewühlten Wasser dreht Steve noch ein paar Ehrenrunden, und wir werden ziemlich durcheinandergeschüttelt, juppheidi, der kleine Stöpsel aus Auckland neben mir kann gar nicht genug davon bekommen.

Nach einer halben Stunde ist der Spaß vorbei, mit nassem Hemd und ohne Frisur landen wir wieder am Steg, trocknen dank der Sommerhitze recht schnell durch und werden dann nach Taupo zurückgeshuttelt.

Kaum am I-Site abgesetzt stehe ich dort auch schon am Schalter. Vor ein paar Tagen wollte ich einen Flug mit dem Floatplane buchen, hat aber nicht geklappt. Die I-Site-Mitarbeiterin ruft dort an, und: Ja, um 17 Uhr gibts einen Scenic Flight wo ich noch dazurutschen kann. Ich hole mir ein Eis auf die Hand und wandere runter zur Marina, wo das Wasserflugzeug startet.

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Je näher wir dem Steg kommen, desto mulmiger wird mir. Sieht doch ein bisschen klapprig aus.

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Wir sind nur drei Passagiere auf diesem Rundflug, und der Pilot schickt mich nach vorne in den Copilotensitz, ich hab das Armaturenbrett und das Steuer direkt vor mir.

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Wir setzen alle unsere Kopfhörer auf, und nach kurzer Rücksprache mit Flight Control hoppelt der kleine Flieger über die Wellen (der sah nicht nur klapprig aus, der ist auch klapprig) und hebt ab.

Wow!

Wir kleben fasziniert an den Scheiben und vergessen völlig Angst zu haben, und die Luftlöcher und Windböen erhöhen den Spaßfaktor sogar noch. Fühlt sich an wie Achterbahnfahren. Mit Aussicht.

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(Das sind die Craters of the Moon, vulkanische Schlammtümpel)

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(Die Huka Falls)

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Zwanzig Minuten dauert der Flug nur, aber wir haben jede Sekunde genossen. Flugangst? Was ist das?

Erst halb sechs, noch früh am Tag – das wäre doch jetzt eine gute Gelegenheit, in der Geothermalquelle Wairakei ein bisschen zu baden. Wairakei liegt nur wenige Kilometer außerhalb von Taupo und ist nicht besonders groß, hat nur 4 oder 5 Thermalbecken. Hat aber den Vorteil, dass die Pools für Kinder unter 14 verboten sind. „Rest and relaxation“ steht auf allen Ge- und Verbotstafeln. Alle Pools sind unter freiem Himmel, man fühlt sich wieder ein bisschen wie im Urwald.

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Es ist wirklich wunderbar ruhig und erholsam, Libellen schwirren übers Wasser, der Wind rauscht in den Blättern und Farnwedeln, herrlich. Und die Pools sind richtig warm. Also schon wirklich sehr warm. Heiß, könnte man sagen. Es wird empfohlen nicht zu lange zu baden, genug zu trinken mitzunehmen und den Kopf nicht unter Wasser zu tunken. Beim heißesten Pool hängt ein Schild mit der Aufschrift „Danger!“, der ist auch wirklich grenzwertig heiß, das halten nur ein paar Japaner aus.

Für heute war das mal genug Wasser. Ich fahre mit dem Taxi zurück, esse im Hotel eine Kleinigkeit und bereite mich schonmal auf morgen vor.

Wow. War’n geiler Tag.

 

 

In a hole in the ground, there lived a Hobbit

Der Tag fängt nicht besonders vielversprechend an. Der Himmel ist einfarbig grau und macht keine Anstalten da irgendetwas dran zu ändern. Also lasse ich mir am Morgen Zeit, frühstücke in aller Ruhe und schaue dann (was hier alles so im Frühstücksfernsehen läuft …) mal eben einen Horrorgruselfilm – morgens ist das ja nicht so gräuslich wie abends.

Gegen 10 mache ich mich dann doch mal mit dem Bus auf in die Stadt (jetzt fängt es an zu regnen), spaziere durch eine Einkaufspassage und kann im Sommerschlussverkauf (!) ein langärmliges Wanderhemd zum halben Preis erstehen, vielleicht kann ich das im Abel Tasman Nationalpark noch gut brauchen.

Schon vor 12 Uhr kommt der InterCity-Bus, der mich nach Matamata bringen soll. Das stimmt mich hoffnungsvoll, ich habe nämlich in Matamata ganz genau 1 Minute zum Umsteigen. Es wird eine knappe Geschichte, aber wir sind wahrhaftig gerade noch pünktlich, ich stürme aus dem InterCity-Bus geradewegs in die I-Site von Matamata, wo ich meinen Voucher in ein Ticket umtauschen muss, und schaffe es als letzter in den moosgrünen Bus der Hobbiton-Tour, der abfahrbereit vor der Tür steht. Während uns der Bus die paar Kilometer bis zum Filmset bringt, erzählt der Fahrer für alle die, die es vielleicht wirklich noch nicht wissen, die Geschichte von der Farmersfamilie und dem Regisseur. Ein location scout, ein Drehortsucher, hatte Peter Jackson insgesamt 13 locations vorgestellt die sich als Drehort für Hobbiton eignen würden. P. Jackson sah die Fotos von der Farm der Familie Alexander in der Nähe der Kleinstadt Matamata, und damit waren alle anderen Kanidaten sofort aus dem Rennen.

Nach den Dreharbeiten für „The Lord of the Rings“ (kurz LOTR) wurden die Kulissen, die damals noch aus Pappmaché, Styropor, Plastik und Sperrholz waren, abgerissen und alles wieder auf den Ursprungszustand zurückgebaut. Als 11 Jahre später die Dreharbeiten für „The Hobbit“ begannen (P. Jackson hatte Jahre vorher noch geschworen, dass er den Hobbit nicht verfilmen würde, weil er schon ahnte was das für ein Mammutprojekt würde) ergriffen Regisseur und Farmer die Gelegenheit, etwas Bleibendes zu erschaffen. Die Kulissen wurden aus Holz, Metall und Stein hergestellt und nach Ende der Dreharbeiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seither besuchen jedes Jahr Hunderttausende Hobbiton und bringen dem Farmer, der Filmfirma und nicht zuletzt Matamata ordentlich was an Einnahmen.

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Matamata hat einiges im Stadtbild auf Hobbiton umgestrickt, wie zum Beispiel die I-Site:

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Deswegen wollte ich ja ursprünglich nicht hin, weil da jeder hinfährt und weil es dort so voll sein soll. Was mir da entgangen wäre! Es wäre absolut blödsinnig gewesen das auszulassen.

Schon während wir Matamata mit dem Bus verlassen klart der Himmel auf. Der Bus fährt die Buckland Road entlang (hat immer schon so geheißen, nicht erst seit dem Dreh!) und am neuerbauten Café „The Shire’s Rest“ vorbei, wo wir unseren Guide einsammeln. Der öffnet uns das Schafsgatter, das die Zufahrt zum Land der Alexanders versperrt, wir schaukeln eine Straße hoch und … da ist Hobbiton! tmp-cam-1009132536

Wir steigen aus dem Bus, und unser guide KC führt uns langsam, mit vielen Fotostopps, erstmal durch das tiefer gelegene Hobbiton. Kein Wunder dass Peter Jackson sofort wusste: Das ist mein Drehort. Die Landschaft ist so unglaublich schön dass man im Film meint es wäre alles am Computer entstanden, aber in echt ist es sogar noch viel schöner, weil man im Film so vieles nicht sieht. Das sind nicht einfach nur ein paar Weiden und ein paar Hügel, das ist eine lebhafte Landschaft mit allen möglichen unterschiedlichen Bäumen, knorrige Weiden, Pappeln, Kiefern (der riesige Party Tree ist echt und hat schon immer da gestanden), einem kleinen Teich mit Schilf und passendem Wasserlauf, Buschwerk mit hier und da ein paar umgeknickten Baumveteranen … this is all too, too beautiful. tmp-cam-211640218

Und in diese perfekte Umgebung hat das Team um Peter Jackson und Richard Taylor nun einige Dutzend Hobbithöhlen hineingebaut, natürlich nur die Fronten weil die Innenaufnahmen im Studio gemacht wurden. tmp-cam-1609521985 tmp-cam-847184452 tmp-cam-523983622 tmp-cam-1444028801 tmp-cam-991246876

Aber es war ja nicht damit getan, nur die Höhlenfronten in die Landschaft einzupassen. Mit viel Liebe zum Detail hat man ein ganzes Dorfleben entstehen lassen, und es sind auch diese kleinen Nebensächlichkeiten, die den Charme von Hobbiton mit ausmachen: tmp-cam-174729158

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Oben auf dem Hügel liegt Bag End, wo die Abenteuer von Bilbo und Frodo ihren Ausgang genommen haben:

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Von dort aus führt uns KC über lauschige, verschlungene und überwucherte Wege wieder hinunter ins Tal, vorbei an der Mühle tmp-cam-1926243779

und weiter „Now who would like a drink?“ zur Taverne The Green Dragon – das einzige Haus, das nicht nur Kulisse ist sondern ein richtiger Pub, mit Ausschank und kleinen Gerichten, wieder bis ins Detail gestaltet. Hier bekommt jeder ein Getränk seiner Wahl, geht aufs Haus 😀

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Die Zeit vergeht wie im Flug, und schon müssen wir wieder in den Bus einsteigen und werden zum Shire’s Rest gebracht, wo wir 15 Minuten Zeit haben den Souvenirshop leer zu räumen, und dann geht’s endgültig zurück nach Matamata, wo ich eine Stunde auf meinen InterCity-Bus zurück nach Hamilton warten muss. Ich nutze die Zeit mich im gut sortierten I-Site umzuschauen, dort gibt es massenhaft Prospekte nicht nur zur Region Waikato, sondern auch zu anderen Regionen, zum Beispiel zu Taupo wo ich morgen hinfahren werde. Gegen 18 Uhr bin ich wieder in Hamilton, wo ich in einem winzigen ud total leeren Restaurant einen sehr guten Salat bekomme, und zwischen Salatblättern, Olivenscheiben und gebratenem Huhn schaffe ich es endlich, mir für den ganzen Tag, den ich übermorgen in Taupo haben werde, etwas Spektakuläres an Land zu ziehen was richtig gut werden könnte und was ich von zuhause noch nicht buchen konnte weil es noch nicht genug Anmeldungen gab. Diesmal klappt es, mit schriftlicher Bestätigung.

Und nun heißt es schon wieder Sachen zusammenpacken, morgen früh kommt (hoffentlich, wehehehehe wenn nicht!) ein Pickup-Taxi das mich zu meinem InterCity-Bus nach Taupo bringt.

Nun habe ich also doch noch Hobbiton gesehen – wie sagen die Engländer immer? Been there, done that, got the T-Shirt.

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… und was ist mit Tee?

Heute gibts wieder Frühstück im Zimmer. Hogan hat gestern abend das Tablett vorbeigebracht, und es gibt meine bevorzugte kontinentale Sparversion mit Orangensaft, Tee, Toast und (nachdem ich vorsorglich schon gestern beim Einchecken „strawberry“ gesagt habe) jam. Ich nehme um 10 den Bus zum Transport Centre und von da aus den Bus zu den Hamilton Gardens.

Wie schön dass auch wetteronline sich mal irren kann. Eigentlich war für heute ganztägig grauer Himmel angesagt, aber vermutlich dank des lebhaften Windes kriegen wir heiter-bis-wolkig-und-trocken. Als wir bei den Hamilton Gardens ankommen lacht die Sonne vom Himmel. Man muss keinen Eintritt zahlen, ich steuere gleich auf die Themengärten zu. Da gibt es zum Beispiel den Chinese Scholar’s Garden,

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den English Flower Garden,
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den Modernist Garden,
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(naja, kann man das Garten nennen …?),
den Italian Renaissance Garden
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und den Indian Char Bagh Garden
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Zur Productive Garden Collection zählen der Te Parapara Maori Garden,

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der Kitchen Garden,
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und der Herb Garden

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Und dann gibt es noch die Fantasy Garden Collection:
den Tudor Garden (der aussieht wie aus einem Filmset von Prinz Eisenherz),

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und den Tropical Garden (hier werden Erinnerungen an Florida wach)

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Daneben gibt es auch noch einen großen Park, aber dafür reicht die Zeit leider nicht. Ich fahre mittags zurück in die Innenstadt und gehe zum I-Site, um mich über mögliche  Tagestouren für morgen zu informieren, komischerweise bin ich da im Internet nicht wirklich weitergekommen, irgendwie muss ich da beim Suchen immer was übersehen oder falsch gemacht haben.

Hab ich nicht. Wie sich herausstellt gehen von Hamilton so gut wie keine Tagestouren ab, und es gibt auch sonst fast nix organisiertes. Ja, wenn man ein Auto hätte … Ich habe meinen reservierten Mietwagen in letzter Minute storniert. I chickened, wie man auf englisch so schön sagt, ich hab kalte Füße bekommen. Irgendwie war mir die Verkehrssituation dann doch zu ungemütlich, vierspurige Straßen und so viele Ampeln, von denen einige leider gar nicht leuchten, wie genau soll man sich denn dort verhalten? Ich hab mich dann einfach doch nicht getraut.

Im I-Site arbeitet an diesem Sonntagmittag eine deutschstämmige Mitarbeiterin, die mich fragt ob ich Hobbiton schon gesehen habe? Nein, hab ich nicht, wollte ich auch auslassen weil es da jetzt so voll sein soll. Sie meint wenn ich morgen fahre wirds vielleicht nicht so heftig weil der Montag nicht so ein kritischer Tag ist, außerdem müssen morgen viele Kiwis wieder arbeiten, könnte also etwas entspannter dort sein als sonst. Und da ließe sich auch eine Tagestour von Hamilton aus organisieren.

So komme ich also doch zu einer Hobbiton-Tourbuchung für morgen, Abfahrt um 12 Uhr und Rückkehr um 17 Uhr, das ist von der Zeit her gut zu schaffen.

Ich esse in einem Einkaufscenter zu Mittag (in dem Center haben die Geschäfte auch sonntags auf) und steige dann am Transport Centre in ein Taxi und sage dass ich zum Zealong Tea Estate möchte. Wohin bitte? Kennt er nicht. Ob ich die Adresse habe? (Ein gewisses Gefühl von déjà-vu stellt sich ein.) Er gibt die Adresse in sein Navi ein, und wir fahren fast eine halbe Stunde von Hamilton-Mitte bis zur Teeplantage, kostet mich stattliche 40 NZ-Dollar für eine Strecke.

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Am modern gestalteten Haupteingang finden sich schließlich insgesamt 11 Leute für die zweistündige Führung zusammen, die von Joy durchgeführt wird, einer Neuseeländerin mit chinesischen Wurzeln. Wir erfahren, dass die Idee für eine neuseeländische Teeplantage 1996 entstand, als ein Immigrant aus Taiwan einen blühenden Kamelienstrauch hier sah und dachte: Wenn die Kamelien hier so gut gedeihen, könnte man dann womöglich auch Tee anbauen, der ja zu den Kamelien gehört? Mister Chan hatte zwar bis dahin keine Ahnung vom Teeanbau, aber er war Teeliebhaber, hat sich alles an Wissen angelesen was ging, kaufte Land und fuhr dann nach China um 1500 Teepflanzen persönlich auszusuchen und die dann nach Neuseeland zu bringen.

Erwähnte ich schon die strengen neuseeländischen Biokontrollen bei der Einreise? Vielleicht hätte Mister Chan auch mal Reiseführer lesen sollen. Jedenfalls blieben sämtliche Büsche geschlagene 10 Monate beim neuseeländischen Zoll in Quarantäne, und als er sie dann endlich ausgehändigt bekam waren 90 Prozent der Pflanzen eingegangen, nur 130 hatten überlebt. Aber Mister Chan beschloss, das Ganze positiv zu sehen: Die 130 Pflanzen, die das überlebt hatten, waren unzweifelhaft die stärksten und gesündesten, also eine prima Zuchtgrundlage. Und wirklich sind aus diesen 130 Pflanzen (die heute bei Mister Chan im Privatgarten stehen) alle circa 1,2 Millionen Teebüsche hervorgegangen die heute den Zealong Tea Estate ausmachen.

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Nach einer Führung über das Gelände, bei der wir einiges über die Herstellung von grünem, Oolong und schwarzem Tee erfahren, folgt nach zwei kurzen Filmchen über die Firmengeschichte und über Teeherstellung dann eine Teezeremonie (nicht die japanische) mit anschließender Teeverkostung von 5 verschiedenen Teesorten (grüner Tee, purer Oolong, stärker gerösteter Oolong, stark gerösteter Oolong und schwarzer Tee).

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Unter den Führungsteilnehmern ist ein junger Deutscher der gerade Work and Travel macht, und der sich durch schrecklichen Enthusiasmus und großen Redefluss hervortut – er kann nicht anders als jeden einzelnen Tee im ersten und im zweiten Aufguss blumig und ausschweifend zu kommentieren, was den Nachmittag deutlich in die Länge zieht. Aber irgendwann hat auch das Knäblein nichts mehr was es hervorsprudeln könnte, so dass diejenigen von uns die einen anschließenden High Tea gebucht haben endlich zu ihrem Tisch und ihren Tee-Etageren kommen.

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Alles ist ganz köstlich (besonders hervorzuheben sind das Duck Pasty, der Aubergine Spread und die Oolong Panacotta), und man kann sich unter den 5 Tees, die hier hergestellt werden, seinen Lieblingstee aussuchen der dann von Joy aufgegossen wird. Und obwohl auf der Etagere eigentlich nur Kleinigkeiten drauf sind, ist man hinterher angenehm satt.

Der freundliche Taxifahrer von vorhin hat mir seine Karte gegeben, und als ich ihn anrufe nachdem ich beim Zealog Tea Estate fertig bin ist er auch recht schnell da und bringt mich zurück ins Hotel.

Ich werde jetzt mal faul durch alle 50 Sky-Kanäle zappen und bin morgen so richtig gespannt auf Hobbiton!