Ein Schmalspurtag

Endlich mal ein normaler Morgen. Ich hatte zwar den Wecker auf 6 Uhr gestellt (nicht ohne zuvor die Uhrzeit korrigiert zu haben), bin aber von selbst um kurz nach 5 wach und fühle mich durchaus ausgeschlafen. Wunderbares Bett, wenn alle Betten in den noch folgenden Hotels so wären, käme mir das übliche Warum-man-wieder-nach-Hause-fährt-Argument abhanden das da lautet: „… aber ich freu mich schon auf mein eigenes Bett!“ Ausgiebig Duschen und Haare waschen ist angesagt. Dann ein paar Anrufe nach Hause – in der Traveler SIM Card von vodafone sind 200 Minuten enthalten, die man nicht nur in NZ sondern z.B. auch nach Deutschland vertelefonieren kann. Zuhause offenbar alles in Ordnung (zumindest hat meine Mutter nichts davon gesagt dass Madämchen in Hungerstreik getreten ist und nun untröstlich der Magersucht anheim fällt). Ich mache mir in meiner Luxussuite (die wie ich feststelle auch noch über Waschmaschine UND Trockner verfügt) einen Tee und frühstücke gemütlich vor dem Fernseher, mit den Füßen auf dem Tisch, das letzte Schokocroissant vom Vortag. Das Taxi ist pünktlich und fährt dort vor wo ich warte, es bringt mich unter Umgehung der zahlreichen Baustellen (Auckland bekommt grade seine erste U-Bahn, ein Projekt das Milliarden kostet und bis mindestens 2022 den Straßenverkehr erheblich behindert, aber den morgendlichen gridlock im Berufsverkehr reduzieren soll) zum Hafen. Am Pier wo die Fähre nach Coromandel abfährt steht schon eine ziemliche Schlange, ich löse meinen Voucher gegen ein Ticket und setze mich diesmal lieber in die Innenkabine, ich werde heute nachmittag noch genug draußen sein. Zwei Stunden entspannter flotter Schiffsfahrt später (vorbei an den Inselchen im Golf von Auckland, wieder eine ganz zauberhafte Kulisse)

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landen wir bei strahlendem Sonnenschein an Hannafords Wharf und werden im Bus nach Coromandel Town geshuttelt. Coromandel Town ist ein winziges Städtchen auf der Coromandel-Halbinsel, mit einem winzigen towncenter, den man in 5 Minuten durchqueren kann. Der Ort ist aber ganz hübsch mit seinen Holzhäuschen, ist ein beliebter Ausgangspunkt für Tagestouren, und wimmelt heute von Menschen. Die Busbegleiterin sagte es gäbe zur Zeit kein einziges freies Bett im Ort. Zum Glück hab ich ja reserviert und marschiere mit dem so praktischen Rollrucksack die lächerlichen 300 Meter, die mich schon nach 20 Schritten raus aus dem Ort bringen und an deren Ende mein Hotelchen liegt. Die Anlage hat durchaus was Malerisches und wirkt mit den einzelnen Holzhäusern und den vielen Blumen und Baumfarnen nahezu tropisch.

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Ich habe eine Wohnung im zweiten Stock eines des Holzhäuschen, vorne ist eine Küchenzeile drin, ein Bad mit Fenster (!), ein Wohn-Schlafraum mit Doppelbett und Einzelbett, und dann noch ein niedlicher kleiner Balkon mit Blick auf den Hafen.

Innen wirkt das Ganze dann aber doch zumindest ein kleines bisschen nicht-mehr-so-neu. Es ist alles ausreichend sauber (naja, im Schrank könnte auch mal einer wischen, aber sonst alles einwandfrei), aber ungeschickterweise sind Teppichboden, Möbel und gardinen schwarz-grau, und da der Balkon von riesigen Farnen beschattet ist wirkt das Zimmer eher dunkel.

Schnell ein bisschen einrichten und dann erstmal Mittagessen suchen. Es gibt jetzt doch mal was halbwegs Gesundes: Chicken Slaw mit gerösteten Cashews, Mixsalat und Apfeldressing, sehr lecker, und das Gewissen kann sich jetzt endlich auch mal schlafen legen.
Es hat sich etwas bewölkt, was von Vorteil ist, weil ich sonst die Dreiviertelstunde Fußmarsch zur Driving Creek Railway in der Mittagshitze machen müsste. Entlang der Landstraße und mit der Hilfe von Google Maps komme ich auch problemlos hin.

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Die Driving Creek Railway ist eine Schmalstspur-Eisenbahn, die Neuseelands erster hauptberuflicher Töpfer mit seinen eigenen Händen gebaut hat, Schienen, Lok und alles drum rum. Ursprünglich zu dem Zweck, damit Holz und Lehm vom Berg herunter in seine Werkstatt befördern zu können. Und weil ihm der eine Hektar Land, den er ursprünglich besaß, nicht genug war, kaufte er später noch 60 Hektar Bergurwald dazu, in dem er seine Eisenbahn hochzog, wozu er dann einen dicken Kredit aufnehmen musste. Die Grenzen seines Landes kannte er zwar nicht genau, aber immer wenn ein Nachbar vor der Tür stand und höflich bat, er möge seinen Schienen doch bitte in seinem eigenen Land verlegen und nicht auf fremdem, baute er eben einfach eine Kurve ein die vom Nachbarn wieder wegführte. So etwa nach 10 Jahren hat die Bank dann wohl gemerkt dass er bisher noch keinen Dollar vom Kredit zurückgezahlt hatte – und als sie es dann merkten war er leider ziemlich abgebrannt. Also hat die Bank ihn gerüffelt und ihm dann „nachdrücklich“ nahegelegt, seine Werkstatt und die Eisenbahn der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und Eintritt zu nehmen, damit mal wieder ein bisschen Geld fließt. So entstand eine Touristenattraktion, die bis heute zahlreiche zahlende Gäste nach Coromandel Town bringt. Es gibt drei Züge, in der Hauptsaison sind zwei davon mehrmals täglich unterwegs, und heute sind fast alle schon ausgebucht. Nach 15 Uhr geht es dann also auch für mich mit der Mini-Eisenbahn im Schneckentempo ratternd aufwärts, in Spiralen, über selbstgemachte Viadukte und über einige Wendepunkte (plötzlich fährt man rückwärts) durch den Urwald, die Bahn schraubt und windet sich zwischen Palmen, Farnen, Kanuka und frisch gesetzten Kauribäumen nach oben, immer wieder vorbei an selbstgetöpferten kleinen Kuriositäten oder teilsweise behelfsmäßig errichteten Stützwänden, teils aus selbstgebrannten Ziegeln, teils mit selbstgebrannter Keramik verkleidet und teils einfach aus mehreren hundert leeren Flaschen der örtlichen Pubs oder auch mal aus gebrauchten Autoreifen errichtet (wer kein Geld hat braucht Ideen).

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Am höchsten Punkt seines Landes hat er eine Aussichtsplattform errichten lassen die tolle Aussichten über den Bergurwald und über die Bucht auf die Inseln bietet.

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Nachdem jeder etwa 200 Fotos geschossen hat rappeln wir gemächlich wieder bergab. Unten angekommen hat sich die Sonne wieder mehr Freiraum verschafft, und ich marschiere in vollem Sonnenschein zurück nach Coromandel Town. Abendessen? Eigentlich könnte ich ja auch einfach mal eine Dose warm machen, wenn ich schon eine Küchenzeile habe. Also ab in den nahen Supermarkt: Dosenspaghetti, Joghurt und Müsliriegel für die nächsten Tage. Der Ablauf der nächsten beiden Tage ist noch nicht ganz sicher: Eigentlich bin ich übermorgen für eine Tageswanderung über den Coastal Walkway angemeldet, aber bis jetzt ist noch nicht sicher ob die Tour stattfinden wird, weil sich bisher niemand sonst angemeldet hat. Das wäre wirklich schade, die Tour würde ich gerne machen, aber wenn sie ausfällt hat der Veranstalter noch alternative Touren im Angebot bei denen ich ersatzweise mitfahren könnte. Für morgen habe ich gerade telefonisch noch eine Guided Tour durch einen Kauriwald gebucht. Die geht erst um 14 Uhr los, da wäre ja noch der ganze Vormittag frei. Und da fallen mir die Rapaura Watergardens ein – die hatte ich von Anfang an eingeplant, aber man kommt nur mit dem Auto hin und das Taxiunternehmen, das ich in der Planungsphase angemailt hatte, konnte zu dem Zeitpunkt noch nicht sagen ob sie am 1. Januar einen Fahrer haben. Nun also Anruf beim Taxiunternehmen, und siehe da: Ja, es klappt. Morgen früh um 9 Uhr Abfahrt zu den Watergardens, da werde ich circa 2 Stunden Zeit haben weil ich vor der Kauriwaldtour um 14 Uhr noch was essen will.

Na bitte. Geht doch.

A perfect day (slightly flawed)

Der Tag fängt hektisch an. Ich hatte mir den Wecker gestellt, auf unchristlich frühe 5.30 Uhr. Ab 6.30 Uhr soll ich bereit stehen für das Pickup-Taxi dass mich zum Sky City Bus Terminal bringt, wo um 7.30 Uhr die Tour zur Bay of Islands losgeht. Damit hätte ich eine Stunde Zeit zum duschen, Haare waschen und frühstücken. Ich hab in meiner 2-Zimmer-Suite (was für ein Luxus!) wirklich sehr gut geschlafen, war nur  in der Nacht einmal wach geworden und hatte auf den Reisewecker geschaut: 14 Uhr 20? Och, ich hab vergessen ihn 12 Stunden vorzustellen. Macht nix, denkt mein gejetlagter Kopf, ich weiß ja dass ich nur 12 Stunden draufrechnen muss. Denkts und schläft wieder ein.
Ich werde wach, draußen ist es hell. Wie spät isses denn? Blick auf den Wecker: 18 Uhr 33. Moment mal, halb sieben? WAS??? Oh, ich Schaf, wenn der Wecker richtig wecken soll muss er natürlich auch vorher richtig gestellt werden … Panik! Duschen, Haare waschen  und frühstücken fällt aus. Ich zieh mir hastig was an, schaffe es noch die Croissants zu schnappen die ich gestern fürs Frühstück gekauf hatte, greife Rucksack und Jacke und stürme aus dem Zimmer. Nie ist ein Aufzug da, wenn man ihn braucht … aus dem 13. Stock muss man erst mal runter kommen. Aus dem Aufzug in die  Lobby und raus zum Vorplatz für die anreisenden Autos: Kein Pickup. Ein Blick auf die Taschenuhr: Halb sechs? Kann nicht sein. Blick aufs Handy: 6.45 Uhr. Oh f—- . Da wäre wohl vor dem Urlaub mal eine neue Batterie für die Uhr fällig gewesen. Zum Glück ist ein netter Concierge schon im Dienst. Nein, sagt er, er hat noch kein Pickup-Taxi gesehen. Könnte allerdings sein dass es am Eingang an der Queen Street gewartet hat, das Hotel hat nämlich zwei Eingänge. Na super. Er versucht für mich den Veranstalter zu erreichen um zu fragen ob der Pickup schon ohne mich gefahren ist, erreicht aber niemanden. Zum Glück ist das Sky City BusTerminal zufuß zu erreichen. Nach hastigem Bedanken wetze ich die Straßen hoch, dabei fällt mir ein dass ich die Sonnencreme vergessen habe (und die Sonnenbrille, und den Sonnenhut). Die Wettervorhersage hat für heute für die Bay of Islands 8 Sonnenstunden vorhergesagt, Sonnenschutz ist also dringend vonnöten. Glücklicherweise ist auf der Ecke ein Convenience Store, wo ich eine Tube Sun Tan Lotion mit SF50 bekomme. Da ist der SkyTower, wo ist nun das Bus Terminal? Aber auch das ist schnell gefunden, der Bus steht schon bereit, und vor mir ist erst ein anderer Gast da, ich bekomme also einen Platz weit vorne. Alles gut soweit, ich bin zwar ungewaschen, total zerzaust und hungrig, aber an Bord.

Unser Fahrer ist so etwas wie ein Paradiesvogel, er heißt Rachel und hatte offenbar ein früheres Leben als Mann, auch wenn er jetzt lange rotbraune Haare, Lippenstift und Nagellack trägt. Er/Sie unterhält den ziemlich gut gefüllten aber auch sehr bequemen Bus ohne Mühe 4 Stunden lang mit einer Mischung aus wirklich interessanten Infos über Auckland und die ganze Landschaft die wir durchqueren, und launigen kleinen Dönekes aus seinem eigenen Leben, durchmischt mit ein paar gnadenlosen Witzen über das Verhältnis zwischen Australiern und Neuseeländern (die Australier im Bus nehmen das sportlich). Wir fahren über die Harbour Bridge (witzige Konstruktion, als die erste Brücke den Verkehr nicht mehr stemmen konnte hat man in Japan weitere Einzelteile bauen und hierher schaffen lassen, die man dann einfach draufgeschweißt hat, daher der Spitzname „The Nippon Clip-On“). Hinter den letzten Wohngebieten von Auckland beginnt das Nirgendwo. Eine grüne, rollende Hügellandschaft mit Buschwerk, Weiden, Bächen und Wäldern, total idyllisch. Es gibt einen halbstündigen Stopp in einem Roadside Café namens CoffeePot, wo ich dann doch noch zu meinem Frühstück komme. Das Wetter sieht ziemlich gut aus, heiter mit nur wenig Wolken. Wir kommen gegen 11.15 Uhr in Paihia an, entsteigen leicht tiefgekühlt dem klimatisierten Bus und sind plötzlich mitten im Hochsommer. In Paihia, einem hübschen kleinen Küstenstädtchen,

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herrscht an der Waterfront reges Treiben: Weihnachtsferien. Zum Glück legt heute kein Kreuzfahrtschiff draußen vor der Bucht an, dann muss hier wohl der Wahnsinn toben. Bis zum Ablegen des Schiffes sind noch knapp zwei Stunden Zeit, und dank eines Tipps vom i-Site finde ich einen Juwelier der meiner Taschenuhr eine neue Batterie verpassen kann. Schnell noch ein paar Tempos kaufen, und dann, halleluja! gibt es endlich Pizza. Das ist zwar wiedermal nicht wirklich gesund, aber dafür folge ich ja ständig einer anderen neuseeländischen Richtlinie für gesundes Leben:

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Kurz nach ein Uhr geht es auf die „Dolphin Seeker“, leider mit Verzögerung weil sie schon mit Verspätung kommt. Mit meiner genetisch bedingten Angst vor Verspätung war ich schon relativ früh am Pier, dadurch bin ich eine der ersten auf dem Schiff und kann einen (für mich) optimalen Platz ergattern, draußen auf dem Zwischendeck aber unter dem kleinen Überhangdach. Und ab gehts durch die Bay of Islands, vorbei an den traumhaft schönen Inseln und Inselchen, felsig und baumbestanden, zwischendrin ein paar hügelige Wiesen drauf, mit faszinierenden Kliffs und Felsformationen. Man kann problemlos die ganze Cruise einfach nur damit verbringen, das Panorama zu genießen. Dazu der strahlend blaue Himmel oben drüber mit hübsch hingezupften, ganz wenigen Reiseprospektwölkchen.

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Höhepunkt ist am äußersten Ende das „Hole  in the rock“, ein durchlöcherter Fels, durch den das Schiff so grade eben auch hindurch fahren kann.

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Gegenüber am Festland der pittoreske kleine Leuchtturm von Cape Brett, mit einem pittoresken kleinen Leuchtturmwärterhäuschen daneben (Privatbesitz, seit den 70ern wird kein Leuchtturm in NZ mehr bewärtert).

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Vorbei an den Inseln machen wir uns dann auf den Rückweg. Ein Teil der Passagiere (der glückliche Teil der mehr Zeit hat) darf noch ein paar Stunden auf der Insel Urupukapuka verbringen, aber alle die den Bus nach Auckland zurück nehmen wollen/müssen, werden zuerst von Bord gelassen und müssen auf ein Schwesterschiff umsteigen, dass uns nach Paihia zurück bringt.

Die Rückfahrt verläuft stressfrei und diesmal ohne Kommentar von Rachel. Wir sind gegen 20 Uhr wieder in Auckland, und ich lasse mich diesmal vom Pickup zurückshutteln (leider kein Wortspiel à la „zurückshütteln“ möglich da alle Stoßdämpfer vorhanden und fully functional sind). Das Überspielen der Fotos und die gröbsten Textbausteine hab ich schon im Bus erledigt bzw. geschrieben, daher bin ich „schon“ jetzt gegen 21.30 Uhr fertig mit dem Blog. Das Abendessen ist dabei irgendwie ausgefallen, aber im Moment hab ich ohnehin das Gefühl dass essen eine total überbewertete Sache ist, die einen nur Zeit kostet mit der man lieber was anderes machen würde. Die Voucher für morgen hab ich schon rausgesucht, hoffentlich klappt es diesmal mit dem Zubringertaxi, ich bin auf die Coromandel-Fähre um 8.45 Uhr gebucht.

Halt, schnell noch den Wecker auf die richtige Zeit umstellen … (und ich will jetzt keine Wortwitze über Umstellungslaufzettel 😉 )

Was lange währt

… wird irgendwann müde.

Die Hinreise hat gut geklappt. Alle Bahnen pünktlich, es gab in Frankfurt ein kleines Misssverständnis bezüglich des Gates aber dank eines ausreichenden Zeitpolsters gab es keine Probleme. Der Flieger ist pünktlich los und hat seine Fluggäste nach knapp 12 Stunden ermattet aber wohlbehalten im Flughafen Changi in Singapur wieder ausgespuckt. Wir sind also mit schmerzenden Gliedern (irgendwann tun einem halt die Beine weh, da hilft kein noch so beqemer Sitz) aus der Boeing 777 gekrochen und direkt einem freundlichen Servicemitarbeiter in die Hände gelaufen, den man bezüglich der Anschlussflüge befragen konnte. Der hat mich dann erstmal quer durch den ganzen Transitbereich bis zum anderen Ende geschickt, wo ich dann feststellen durfte dass das Abfluggate kurzfristig geändert wurde: Das richtige Gate ist jetzt genau da, wo der freudliche Servicemitarbeiter gestanden hatte. Also quer durch den ganzen Transitbereich zurück. Auch hier dank des üppigen Zeitpolsters kein Problem. Leider haben wir Umsteigler nun den berühmten Eingangsbereich von Changi gar nicht zu Gesicht bekommen, aber wir waren auch gut mit Hin- und Herrennen beschäftigt: Das richtige Gate ist jetzt wo? Wo kriegt man die kostenlosen Voucher für Verzehr und Duty Free? Allein die Suche nach der Stelle die die Voucher ausgibt hat über eine halbe Stunde gedauert, und der Prozess der Ausstellung wirkt als wäre er eins zu eins aus dem deutschen Behördenhandbuch kopiert – und wo zum Kuckuck ist das Free Wifi? Ach da muss man sich für anmelden? An welchem Schalter denn? Ach, gar nicht am Schalter sondern am Automaten? Und der will erstmal den Reisepass einlesen? Und dann kriegt man einen Anmeldecode, der circa 15 Sekunden sichtbar bleibt, und wehe man braucht 16 Sekunden um einen Stift zum Notieren zu finden, dann verfällt der Code … Drei deutschsprachige Transitreisende haben zusammengearbeitet um die Rätsel Free-Wifi-Anmeldung zu lösen, und nur 2 haben es schließlich geschafft.

Und nach dem Einchecken des Handgepäcks (überall sind die Regeln ja anders, diesmal mussten keine Flüssigkeiten in durchsichtige Plastikbeutel separiert werden, dafür durfte die gerade erst im Transitbereich erstandene Flasche Wasser partout nicht mit) wartete vor dem Fenster des Gates dann der Airbus 380, der uns nach Auckland bringen sollte. Das ist wirklich ein ziemlicher Brummer. Die Boeing vom Hinflug wirkt daneben recht blass, ein Eindruck der sich im Inneren noch verstärkt. Der Airbus ist natürlich neuer, hat nach allen Seiten und nach oben mehr Platz und ist luftiger und moderner als die vermutlich schon etwas in die Jahre gekommene 777. Und wenn man dann noch Premium Economy fliegen kann statt der üblichen Holzklasse, dann kann man den langen Flug wirklich ganz gut aushalten, im Airbus haben sich Gelenkschmerzen erst wesentlich später eingestellt. Das Nonplusultra wäre natürlich die erste oder die Business Class, die können nämlich aus ihrem Sessel ein Bett basteln, leider kostet die Sache dann etwa dreimal soviel wie Premium Economy.

Die Fluggesellschaft muss ich hier aber schonmal loben, Singapore Airlines bietet nicht nur guten Service sondern auch durchaus gutes Essen. Natürlich ist wie überall am Himmel sonst auch alles in Plastik verpackt, aber die Möglichkeit, sich schon zuhause die Speisekarte anschauen und aus gefühlen 20 verschiedenen Menüs eins bestellen zu können ist schon praktisch. Die Menüs sind naturgemäß asia-lastig, aber sie schmecken wirklich nicht schlecht, und die Croissants zum Frühstück waren schön warm. Zwischendurch bekommt man immer wieder heiße Handtücher gereicht oder Snacks, Getränke oder Eis angeboten. Und die Crew war immer nett und hilfsbereit. Und auch das Entertainmentsystem ist nicht von schlechten Eltern, neben etwa 30 neuen Spielfilmen, die teilweise noch im Kino laufen, und noch etwa 50 weiteren Spielfilmen und massenhaft Serien gibt es noch Dokus und Musik und diverse Spiele. Für Unterhaltung ist also reichlich gesorgt, aber wenn der Flug abends um 21 oder 22 Uhr losgeht ist nach dem ersten Spielfilm sowieso erstmal Sense, da sieht man nach und nach die Leute vor ihren Displays einnicken, langsam wird das Kabinenlicht gedimmt und schwuppdiwupp schnurcheln 300 Leute in schönster Einigkeit vor sich hin.

Und bevor man sich versieht nuschelt der Kapitän auch schon was von „we will begin our descent to  Auckland International Airport“ ins Bordmikro – du liebe Güte, wir sind wahrhaftig da. Als erstes müssen die während des Fluges auszufüllenden Einreisefragebögen vorgelegt werden: Wie lange werden Sie bleiben? Wenn Sie länger bleiben als vorgesehen werden Sie strafverfolgt. Haben Sie womöglich Obst dabei? Melden Sie es an oder zahlen Sie 400 NZ-Dollar Strafe. Outdoor-Ausrüstung? Zeigt her eure Schuhe … Okay. Dann das Gepäck vom Band holen: Donnerwetter, mein Rollrucksack kommt wir quasi vor die Füße gerollt, es kann sofort weitergehen. Jetzt noch an dem Hund vorbei der verstecktes Obst, vergessene Butterbrote oder eingeschleppten Schlamm erschnüffeln kann … der Hund wedelt höflich, seine Hundeführerin ruft einem fröhlich „Thank you!!!“ hinterher, und dann steht man auch schon in der Ankunfthalle. Schnell noch neuseeländische SIM-Karten besorgen, dann den ersten Voucher zücken: Taxi zum Hotel. Das Taxi steht schon bereit und bringt mich und zwei andere in 20 Minuten nach Auckland rein. Schon auf dieser Fahrt fällt auf dass in Auckland Großstadtfeeling wirklich nur im CBD, im Central Business District, aufkommt. Im Reiseführer steht, dass das Streben der Kiwis nach freistehenden Häusern mit nicht zuwenig Land drumrum dazu geführt hat, dass Auckland eine breit ausufernde aber in den Bereichen außerhalb des Zentrums nahezu ländlich anmutende Großstadt geworden ist. Die Stadtrundfahrt, die ich nach einem kurzen Einchecken im Hotel noch mache, bestätigt den Eindruck. Außerhalb des CBD kaum eine Spur von enger Bebauung, geschweige denn von Gebäuden die mehr als 3 Stockwerke haben (mal abgesehen von Krankenhäusern oder der Universität), nur sehr selten steht mal irgendwo ein Firmenhochhaus, und die wirken dann so deplatziert dass man meint sie würden sich ständig in leicht gebückter Haltung für ihre Größe entschuldigen.

Ich bekomme ein paar Landmarks zu sehen (Ferry Building, Auckland Museum, Sky Tower) und springe beim Eden Garden vom Hop-on-hop-off-Bus herunter, um mich dort eine Stunde lang umzusehen. Vielleicht könnte man hier von einem botanischen Urwald-Garten sprechen, das Gelände liegt am Berg und ist sehr eng, neben ein paar alten Bekannten wie Hortensien, Taglilien und Achilleen (alle in voller Blüte, während im Shop noch die Weihnachtsdeko hängt) strotzt der Garten wie Auckland überhaupt vor Baumfarnen (im Stadtgebiet gibt es außerdem riesige Agapanthus, beinahe an jeder Ecke, und ganze Straßenzüge mit lila blühenden Jacaranda-Bäumen). Durch die enge, steile Lage und die verwinkelten Wege, die auch noch reichlich berieselt werden, wähnt man sich im Regewald.

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Und wenn man erst die Vogelstimmen hört meint man vollends man sei am Amazonas unterwegs. Komische Vögel sind das, sie geben Töne von sich dass man meint einen minderbegabten Vogestimmenimitator zu hören, sie quaken und keckern und flöten unflätig herum, und manch einer scheint einfach ein paar Klingeltöne auswendig gelernt zu haben. Wenn man die frechen Viecher nicht herumflattern sähe könnte man fast glauben, im Gebüsch wären Mikros versteckt und irgendwo hinter einem riesigen Farn filmt jemand die dummen Gesichter der Besucher, die sich bei solch albernem Gepiepe irgendwann vergackeiert vorkommen weil einfach kein normaler, gesitteter europäischer Vogel solche schon beinahe satirisch anmutenden Laute von sich geben würde.

Aber es laufen auch noch andere komische Vögel da herum:

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(Ziemlich aufgeplüscht … Könnte vielleicht an der hohen Luftfeuchtigkeit liegen.)

So gegen 15 Uhr macht sich dann doch der Jetlag bemerkbar. Nur noch schnell was essen … Nach zwei asiatische Essen an Bord wär mir jetzt so richtig nach Pizza. Dumm nur, dass Pizza offenbar nicht in Mode ist. Nirgends eine Pizzeria oder überhaupt irgendein Italiener zum Hinsetzen, dafür massenhaft asiatische Restaurants. Och nö … Da, endlich! Doch halt: „Closed, see you all on January 4th!“ Mist, die haben Weihnachtsferien. Überhaupt komisch, wenn über der Straße ein riesiger Weihnachtsmann mit zwei riesigen Rentieren hängt, während untendrunter massenhaft asiatischer Touristen in T-Shirts und FlipFlops und der ein oder andere Kiwi auch mal barfuß unterwegs ist. Weird world.

Hier ist es jetzt gleich halb neun Uhr abends. Gute Nacht …

Coming ever closer

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Die Buchungsunterlagen sind gekommen. Flugtickets, Hotelinfos, Ablaufplan, Voucher … Es fehlt noch die Buchungsbestätigung für den Inlandsflug zwischen Nelson und Christchurch, weil der Coastal Pacific wegen der Erdbebenschäden nicht fährt, und die Bestätigung für die Abel-Tasman-Wanderung, aber der freundliche Reisebüromitarbeiter konnte meine schon leicht ausgefransten Nerven etwas glätten mit der glaubhaften Zusicherung, dass die noch fehlenden Unterlagen dann im Hotel in NZ auf mich warten würden.

Der Bahnstreik ist abgewendet. Das Wetter verspricht im kritischen Zeitraum weder Schnee noch Eis. Da ich nicht mit der Lufthansa fliege darf man zuversichtlich hoffen, dass es keinen Pilotenstreik geben wird. Eine freundliche Kollegin hat versprochen, mich wenn alle Stricke doch noch reißen sollten höchstpersönlich zum Flughafen zu fahren.

Natürlich könnte noch alles mögliche dazwischen kommen, aber … Es könnte wirklich stattfinden. Gar nicht so unwahrscheinlich dass ich wirklich nach Neuseeland reisen werde. Dear me. Who would ever have thought it. Dear me.

Dear me …